Resolution zur Telematikinfrastruktur: TI jetzt zukunftsfähig gestalten – Schnellprogramm für akute Probleme, Kurskorrekturen beider Strategie

KBV

Veröffentlicht 27.05.2022 06:10, Dagmar Finlayson

Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hat heute in Bremen folgende Resolution beschlossen:

Im Sinne der Versorgung der Patientinnen und Patienten müssen die akuten Baustellen der Telematikinfrastruktur (TI) schnellstmöglich behoben werden. Damit sich diese Situation in den kommenden Jahren nicht wiederholt, gilt es zudem, bei der Weiterentwicklung der TI-Strategie grundlegende Kurskorrekturen vorzunehmen. Die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie Vertragspsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten halten die Umsetzung der  folgenden Anforderungen für unerlässlich, um die TI inklusive aller Anwendungen endlich zum Laufen zu bringen.

Ein Schnellprogramm muss mindestens die folgenden Punkte vorsehen:

1. Die Praxen brauchen funktionierende Anwendungen. Hierfür fordern wir einverbindliches Testkonzept für sämtliche Komponenten und Anwendungen – also inklusive sämtlicher Komponenten-Kombinationen – und einen kontrollierten Rollout-Prozess, für die wir unsere Expertise anbieten.

2. Die Praxen brauchen angesichts der vorherrschenden Abhängigkeit von der Industrie Unterstützung und Abhilfe. Wir fordern daher unter anderem einen Herstellergipfel im Bundesgesundheitsministerium, in dem sich insbesondere die Anbieter der Dienste und Anwendungen auf eine reibungslose Implementierung der Anwendungen verpflichten. Gegebenenfalls kann auch über geeignete finanzielle Anreize gesprochen werden, die zuletzt bei der Umsetzung der Impfzertifikate-Software zu einer schnellen Bereitstellung beigetragen haben.

3. Die Praxen brauchen Transparenz und Verlässlichkeit. Das tagesaktuelle Online-Reporting der gematik muss daher um den Aspekt der TI-Fähigkeit sämtlicher Praxisverwaltungssysteme im Hinblick auf die einzelnen Anwendungen erweitert werden. Dieses soll als Grundlage für alle weiteren Entscheidungen dienen.

4. Die Praxen brauchen eine zentrale Info-Hotline der gematik, bei der sie anrufen können, wenn sie TI-Probleme feststellen. Diese Hotline muss in der Lage sein, schnell und konkret festzustellen, wo die Problemursache liegt und bei Problemen der TI unmittelbar helfen. Bei anderen Fehlerursachen hat sie umgehend mitzuteilen, wer der richtige Ansprechpartner ist.

5. Die Praxen brauchen rechtzeitig einen reibungslos für sie organisierten und vollumfänglich finanzierten Austausch der Konnektoren, der in jeglichen Rollout-Szenarien zu berücksichtigen ist.

6. Die Praxen brauchen kompetente IT-Dienstleister vor Ort, die sich mit der TI auskennen. Da die TI federführend vom BMG verantwortet wird, sollte das BMG gemeinsam mit den anderen Ressorts in der Bundesregierung eine Fachkräfte- und Qualifizierungsoffensive initiieren.

7. Die Praxen brauchen Unterstützung, um die neuen Anwendungen in den Praxisalltag zu integrieren. Zudem brauchen sie Entlastungen bei der Information der Patientinnen und Patienten über neue Anwendungen. Daher bedarf es zweier Informationskampagnen, einmal seitens der Hersteller mit CME-Punkten für die Praxen und einmal seitens der Krankenkassen zur Aufklärung ihrer Versicherten.

8. Die Praxen brauchen zeitnah eine gesetzliche Klarstellung darüber, dass ihre Verantwortung für den Datenschutz nur so weit reicht, wie sie es auch beeinflussen können.

Richtungsweisende Entscheidungen zur Weiterentwicklung der TI stehen unmittelbar bevor (zum Beispiel TI 2.0), daher sind neben dem Schnellprogramm zeitnah  auch grundlegende Kurskorrekturen durch das BMG bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen vorzunehmen. Diese sind vor dem Hintergrund des erklärten politischen Ziels zu sehen: Für eine zukunftsfeste Aufrechterhaltung und – wo möglich – Verbesserung der medizinischen und pflegerischen Versorgung der Menschen in Deutschland mithilfe digitaler Innovationen wird die digitale Vernetzung des Gesundheitswesens über alle Sektoren und Fachberufe angestrebt.

  • Deshalb ist die Telematikinfrastruktur mit all den damit verbundenen Anwendungen staatliches Ziel und Aufgabe. Konsequenterweise muss daher sowohl die Bereitstellung der erforderlichen zentralen und dezentralen Komponenten der TI-Infrastruktur „bis zur virtuellen Praxistür“ als auch die Finanzierung in staatlicher Hand liegen.
  • Deshalb muss die weitere Entwicklung der TI mit allen Anwendungen auf die Versorgung ausgerichtet und nach dem Grad des Effekts auf die Versorgung (re-)priorisiert werden. Konsequenterweise muss hierbei die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer in den Praxen von Anfang bis Ende einbezogen werden.
  • Deshalb muss für die technische Umsetzung der politischen TI-Strategie die Neuausrichtung der gematik so schnell vollzogen werden, dass die gematik Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zukünftig ihre Arbeiten in den Dienst der Versorgung stellen und unter anderem die Entwicklung der von ihr zugesagten TI 2.0 schnell auf die richtigen Schienen setzen kann. Konsequenterweise müssen verbindliche Zulassungs- und Zertifizierungsregelungen entwickelt werden, nach denen die gematik ihre klar definierte Verantwortung und Aufgabe wahrnimmt, und sie braucht einen vernünftigen und realistischen Zeitplan, um die TI 2.0 aufzustellen und umzusetzen.

Digitalisierung im Gesundheitswesen bedeutet für die Praxen heute: Ausfälle der Infrastruktur, Systemabstürze, zum Beispiel wegen elektrostatischer Aufladungen der eGK, sowie unausgereifte Anwendungen, fehlende Interoperabilität der unterschiedlichen Systeme und Komponenten etc. Kaum etwas funktioniert reibungslos, vielmehr werden die Praxisabläufe und damit die Versorgung  erheblich beeinträchtigt. Hinzu kommt ein anstehender Austausch von Konnektoren gleichzeitig mit Massenanwendungen, die ohne ausreichende Testung auf die Praxen zukommen. Die Praxen sind frustriert von den bisherigen Erfahrungen mit der Telematikinfrastruktur und wünschen sich eine Digitalisierung, die die Praxen in der Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten unterstützt.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV):

Die KBV vertritt die politischen Interessen der über 183.000 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärztinnen/Ärzte und Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten auf Bundesebene. Sie ist der Dachverband der 17 Kassen­ärztlichen Vereinigungen (KVen), die die ambulante medizinische Versorgung für 73 Millionen gesetzlich Versicherte in Deutschland sicherstellen. Die KBV schließt mit den gesetzlichen Krankenkassen und anderen Sozial­versicherungsträgern Vereinbarungen, beispielsweise zur Honorierung der niedergelassenen Ärzte und zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Kranken­kassen. Die KVen und die KBV sind als Einrichtung der ärztlichen Selbstverwaltung Körperschaften des öffentlichen Rechts. Mehr Informationen unter: www.kbv.de.

Foto: KBV-Vorstand v.li.: Drs. Stephan Hofmeister, Andreas Gassen, Thomas Kniedel

Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)


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