Bürgerdaten für die Forschung sicher nutzen: COVID-19-Datenspende-Projekte zeigen, wie es gelingen kann

Daten

Veröffentlicht 16.02.2024 08:20, Dagmar Finlayson

Smartphones, Smartwatches und damit verbundene Apps werden ständig besser, persönliche Gesundheitsdaten aufzuzeichnen und zu speichern. Mit dem 2022 auf EU-Ebene vorgeschlagenen Gesetzesentwurf für einen Europäischen Gesundheitsdatenraum wäre künftig auch die Weitergabe von anonymisierten Gesundheits- und Wellnessdaten ohne explizite Zustimmung möglich. Dagegen regt sich nachvollziehbarer Widerstand – nicht nur seitens der Datenschutzbeauftragten.

In ihrem Beitrag in der Nature Portfolio Fachzeitschrift „npj Digital Medicine“ diskutieren Professor Stephen Gilbert, EKFZ für Digitale Gesundheit, und Professor Dirk Brockmann, Zentrum Synergy of Systems, wie medizinische Daten von Bürgerinnen und Bürgern künftig unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte dennoch für die Forschung genutzt werden könnten. Ihre Lösungsvorschläge basieren auf Erfahrungen mit Datenspende-Projekten während der COVID-19-Pandemie, die zeigen, wie ein partizipativer, standardisierter, skalierbarer und zustimmungsbasierter Ansatz für Datenspenden aussehen kann.

Bild: App Gesundheitsdaten. James Yarema_unsplash


Immer mehr Menschen nutzen Wellness- und Gesundheits-Apps, welche eine Vielzahl an Parametern wie Aktivität, Stoffwechsel, elektrische Signale, Blutdruck und Sauerstoffsättigung messen, interpretieren und speichern können. Diese Daten dienen nicht bloß dem persönlichen Interesse, sie sind auch für die medizinische Forschung von großer Bedeutung. Die Analyse solcher durch Bürgerinnen und Bürger selbst erhobenen Daten in Verbindung mit klinischen Daten kann dazu beitragen, Erkrankungen, ihre Entstehung sowie die frühzeitige Diagnose zu verbessern. Besonders für die Optimierung von Vorhersagen, welche auf Deep Learning und anderen Methoden der künstlichen Intelligenz basieren, sind diese Daten eine unverzichtbare Forschungsgrundlage.

Während der COVID-19-Pandemie wurden sowohl in Deutschland als auch im Vereinigten Königreich und den USA mehrere Projekte zur Nutzung von Gesundheitsdaten mittels freiwilliger Spende initiiert. Diese Projekte zeigten, dass Bürgerinnen und Bürger durchaus bereit waren, sich zu beteiligen und ihre Daten zu teilen. Voraussetzung hierfür war, dass sie selbst entscheiden konnten, wann sie welche Daten teilen, und die Möglichkeit erhielten ihre Zustimmung und Beteiligung jederzeit wieder zu widerrufen.

„Es ist ethisch inakzeptabel und auch politisch nicht nachhaltig mit jedem neuen smarten Produkt automatisch weitere persönliche Daten von Bürgerinnen und Bürgern zu speichern – insbesondere ohne sie zuvor nach ihrer Zustimmung zu fragen“, sagt Professor Stephen Gilbert, Mitautor des Artikels. Eine Lösung sehen die Forschenden in der Nutzung einer externen, sicheren und vertrauenswürdigen Zustimmungsplattform. Dort könnten die Nutzerinnen und Nutzer nachvollziehen, mit wem, wo und zu welchem Zweck sie ihre Gesundheitsdaten teilen. Das aktive Miteinbeziehen erhöhe auch die Wahrscheinlichkeit, dass Daten über einen längeren Zeitraum geteilt werden. Positive und lehrreiche Erfahrungen der Forschenden mit der freiwilligen Datenspende während der COVID-19-Pandemie sollten nun verwendet werden, um langfristig Lösungen zu finden. „In Zukunft wird die Nutzung von persönlichen Gesundheitsdaten für die Forschung nur funktionieren, wenn alle Teilnehmenden freiwillig und bewusst zustimmen und ihre Einwilligung auch jederzeit widerrufen können. Unsere Forschung hat gezeigt, dass Bürgerinnen und Bürger verstehen, welchen Nutzen sie der Gesellschaft bringen können, wenn sie ihre Gesundheits- und Wellness-Daten freiwillig zur Verfügung stellen“, sagt Professor Dirk Brockmann, Direktor des Zentrums Synergy of Systems an der TU Dresden.

Der Beitrag entstand in Zusammenarbeit von Forschenden des EKFZ für Digitale Gesundheit, des Zentrums Synergy of Systems (beide TU Dresden) sowie des Robert Koch-Instituts (RKI) und des Scripps Research Institutes (USA).

Else Kröner Fresenius Zentrum (EKFZ) für Digitale Gesundheit
Das EKFZ für Digitale Gesundheit an der TU Dresden wurde im September 2019 gegründet. Es wird mit einer Fördersumme von 40 Millionen Euro für eine Laufzeit von zehn Jahren von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung gefördert. Das Zentrum konzentriert seine Forschungsaktivitäten auf innovative, medizinische und digitale Technologien an der direkten Schnittstelle zu den Patienten. Das Ziel ist dabei, das Potenzial der Digitalisierung in der Medizin voll auszuschöpfen, um die Gesundheitsversorgung, die medizinische Forschung und die klinische Praxis deutlich und nachhaltig zu verbessern.

Zentrum Synergy of Systems (SynoSys)
Das Center Synergy of Systems (SynoSys) entwickelt transdisziplinäre Ansätze und Methoden im Bereich Network Science, Data Science, Digital Science und Citizen Science, um komplexe Phänomene an den Schnittstellen zwischen Biomedizin, Sozial- und Lebenswissenschaften integrativ zu erforschen. Im Fokus stehen dynamische Phänomene wie Pandemien, chronische Krankheiten, mentale Gesundheit, Planetary Health, die Emergenz kooperativer Systeme in Biologie und Gesellschaft, die nicht allein durch einzelne, traditionelle Teildisziplinen verstanden werden können, sondern nur durch laterale Perspektiven und integrative Methoden aus der Komplexitätsforschung. SynoSys ist nicht nur Thinktank sondern auch “Link-Tank”, der jungen Wissenschaftler:innen Komplexitätsforschung und Wissenschaft ohne disziplinäre Grenzen vermittelt. Als Department des Center for Interdisciplinary Digital Sciences (CIDS) ist SynoSys ein Knoten im Netzwerk transdisziplinärer Forschung.

Quelle: Technische Universität Dresden


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