KI für Gesundheitsfachkräfte und Patienten: „Wertebasiert und auf den Menschen zentriert“

Software

Veröffentlicht 26.07.2024 07:20, Dagmar Finlayson

Bei Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin denken die meisten Menschen an OP-Roboter oder Assistenzsysteme in der Radiologie. Weniger im Rampenlicht stehen KI-Anwendungen, die Gesundheitsfachkräfte bei zeitaufwändigen administrativen Tätigkeiten unterstützen – sei es bei der Dokumentation, Dienstplanerstellung oder Abrechnung. Derartige Software bietet großes Potenzial und spart schnell Zeit und Kosten. Wie KI die Abläufe in Medizin und Pflege effizienter gestalten kann und vor welchen Hürden Gesundheitseinrichtungen bei der Einführung stehen, erklärt Andrea Schmidt-Rumposch im Interview. Sie ist Pflegedirektorin am Universitätsklinikum Essen und Mitglied der Plattform Lernende Systeme.

Frau Schmidt-Rumposch, welchen Mehrwert bieten KI-Anwendungen für organisatorische Prozesse in Krankenhäusern und Arztpraxen?

Andrea Schmidt-Rumposch: Künstliche Intelligenz kann die organisatorischen Arbeitsabläufe in Krankenhäusern und Arztpraxen verbessern und auf diese Weise Gesundheitsfachkräfte entlasten. Bis zu 25 Prozent der Arbeitszeit des Arzt- und Pflegedienstes werden für organisatorische Tätigkeiten verwendet. Hier liegt ein enormes Potenzial, Gesundheitsfachkräften durch effizientere administrative Prozesse und Arbeitsabläufe mittels KI mehr Zeit in der direkten Patienteninteraktion und -versorgung zu ermöglichen. Dies wiederum führt direkt zu einer Qualitätsverbesserung in der Versorgung.

Als Beispiele sind KI-Lösungen für Personaleinsatzplanung, Materialbedarf oder Dokumentation zu nennen. Ein digitales Terminmanagement ermöglicht Echtzeit-Informationen über geplante Termine – auf Wunsch in diverse Sprachen übersetzt. Ein solcher Patientenservice schafft Transparenz für alle Beteiligten. KI-Anwendungen für organisatorische Prozesse haben den Vorteil, dass sie kurz- und mittelfristig wirtschaftlich umsetzbar sind. Die aus ihnen resultierenden Prozessverbesserungen können wiederum die Basis für eine vermehrte Implementierung von KI in klinischen Prozessen bilden. Denn auch hier gibt es einen hohen Mehrwert. Ein Beispiel aus der Pflege: Das vom BMBF geförderte Projekt KIADEKU zielt auf eine digitale Bildanalyse zur Unterscheidung von Dekubitus und Inkontinenz-assoziierter Dermatitis ab; beide Wundarten ähneln sich optisch stark, benötigen allerdings sehr unterschiedliche Behandlungen. Pflegefachpersonen erhalten daher eine Unterstützung bei der Analyse und Dokumentation durch eine automatisierte Erfassung von Wundkriterien, z.B. Wundgröße, Rötung usw., was zu einer Verringerung von Komplikationen und zu Zeitersparnis führen kann.

Vor welchen Hürden stehen Gesundheitseinrichtungen, die KI-Systeme einführen wollen?

Andrea Schmidt-Rumposch: Um die Potenziale von KI voll ausschöpfen zu können, muss die Digitalisierung des Gesundheitswesens dringend weiter vorangetrieben werden. Deutschland hängt im internationalen Vergleich noch immer hinterher. Die offensichtlichsten Aufgaben ergeben sich aus (fehlender) Datenverfügbarkeit, der Einhaltung ethischer Standards und Fragen des Datenschutzes bei der Nutzung von sensiblen Gesundheitsdaten.

Um KI-Lösungen technisch zu ermöglichen, ist eine echtzeitfähige IT-Infrastruktur notwendig. Die Integration der Technologie in bestehende Systeme verursacht Kosten. Auch notwendige Schulungen müssen einberechnet werden. Gerade bei Aus- und Weiterbildung oder im Qualitäts- und Risikomanagement ist eine direkte Bezifferung der durch sie gewonnenen Risikominimierung bisweilen schwierig. Damit Patientinnen und Patienten sowie Gesundheitsfachpersonal gleichermaßen von KI-Lösungen profitieren, müssen diese auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden zugeschnitten sein, es sind also Prozessanalysen und -optimierungen unter Einbeziehung der vor Ort Arbeitenden notwendig.

Was ist zu beachten, dass auch die Beschäftigten sowie Patientinnen und Patienten von den KI-Anwendungen profitieren?

Andrea Schmidt-Rumposch: KI-Technologien können nur dann signifikante Verbesserungen im Prozessmanagement und letztendlich in der Versorgungsqualität erreichen, wenn auch die Perspektive derjenigen Gehör findet, die in der direkten Patientenversorgung tätig sind. Gesundheitsfachpersonal muss daher zwingend bereits aktiv in Entwicklungen und nicht erst in Umsetzungen eingebunden werden. Hierzu muss es über die notwendige Kompetenz verfügen, mit Gesundheitsdaten und KI-Empfehlungen kritisch reflektiert umgehen zu können, diese fallbezogen zu interpretieren und letztverantwortlich zu beurteilen. Die Entwicklung dieser digitalen und KI-Kompetenzen geschieht bestenfalls berufsgruppenübergreifend. Foren des gegenseitigen Austauschs sollten die strukturierte interprofessionelle Fort- und Weiterbildung ergänzen.

Patientinnen und Patienten sind darauf angewiesen, informierte Entscheidungen zum Einsatz von digitalen Tools treffen zu können. Ihnen müssen Nutzen und Risiken deutlich gemacht werden. Sie sollten zudem nicht nur als Nutzende einer Anwendung gesehen werden können – auch sie können und müssen aktive Akteure bei der zielgerichteten Entwicklung von KI-Anwendungen darstellen. Eine strukturierte Einbindung bietet bei uns in der Universitätsmedizin Essen beispielsweise unser Institut für PatientenErleben.

Medizin und Pflege sollte grundsätzlich wertebasiert und auf den Menschen zentriert stattfinden – der Einsatz von KI-Technologie stellt dabei keine Ausnahme dar.

Weitere Informationen:
https://www.plattform-lernende-systeme ... ds/Publikationen/Whitepap... Eine ausführliche Expertise zu Potenzialen und Herausforderungen von KI in organisatorischen Prozessen in Medizin und Pflege liefert das Whitepaper „KI für bessere Abläufe in Medizin und Pflege“ der Plattform Lernende Systeme.

Foto: Andrea Schmidt-Rumposch ist Pflegedirektorin am Universitätsklinikum Essen und Mitglied der Arbeitsgruppe Gesundheit, Medizintechnik, Pflege der Plattform Lernende Systeme.©Kniel_UK Essen

Quelle: Lernende Systeme - Die Plattform für Künstliche Intelligenz


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