Künstliche Intelligenz (KI) ist in der Augenheilkunde auf dem Vormarsch. Nicht nur bieten in Deutschland seit Kurzem Optikergeschäfte nach Schweizer Vorbild Augenchecks per KI an. Auch Augenärztinnen und -ärzte stehen Apps zur Verfügung, die mittels KI blitzschnell Bilder der Netzhaut und des Sehnervs analysieren. Wie Algorithmen Diagnostik und Behandlungsentscheidungen optimieren, erläutert Professorin Dr. med. Nicole Eter von der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft e.V. (DOG) auf der Vorab-Pressekonferenz anlässlich des Jahreskongresses.
In Indien, wo es an Augenärztinnen und -ärzten mangelt, können sich Diabeteserkrankte etwa in Einkaufszentren auf Retinopathie untersuchen lassen, eine typische Folgeerkrankung der Netzhaut; in der Schweiz ist das in Optikergeschäften ebenfalls möglich. Nun bieten auch in Deutschland die ersten Optikergeschäfte auf Basis eines Netzhautfotos, einer Funduskopie, einen Augencheck für diabetische Retinopathie an – gegen Gebühr. „Bei uns sehe ich dafür jedoch derzeit keinen großen Markt“, sagt Nicole Eter, Direktorin der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Münster. „Hier bekommen Diabeteserkrankte noch Termine bei ihren Augenärztinnen und -ärzten.“
Dennoch: Der neue Service zeigt, wohin die Reise geht – KI erobert in großen Schritten die Augenheilkunde. Viel Potenzial sieht die DOG-Expertin beispielsweise in Apps, die Augenärztinnen und -ärzte bei Medizingeräteherstellern kostenpflichtig herunterladen können, um damit komplexe Bildgebung analysieren zu lassen. „KI ergibt überall dort Sinn, wo es um Imgaging geht“, betont Eter. „Ich könnte mir vorstellen, dass KI bald regelhaft bei der Interpretation von Netzhaut- und Sehnervbildgebung unterstützt, also bei der Auswertung von optischer Kohärenztomografie und Fluoreszenz-Angiografie.“
Damit hilft KI, häufige Erkrankungen wie altersabhängige Makuladegeneration (AMD), grünen Star und diabetesbedingte Retinopathie zu diagnostizieren und zu beurteilen – und am Ende auch, Therapieentscheidungen zu treffen. „Beim Grünen Star etwa kann KI auf Bildern die Nervenfaserschichtdicke und damit den individuellen Krankheitsverlauf sehr genau bestimmen“, erklärt Eter. So erfahre man frühzeitig, dass der Augeninnendruck nicht gut eingestellt sei, um in der Konsequenz die Tropfentherapie zu verstärken, eine Laserbehandlung oder eine Operation einzuleiten. Auch bei der AMD ermöglicht KI, über die Analyse der Bilddaten Behandlungsabstände zu optimieren. „Die KI erkennt an Netzhautdicke, den Strukturen und der Flüssigkeitsverteilung im Auge, wie dringlich die Spritzen sind“, erläutert die DOG-Expertin.
Die Beispiele belegen, wie umfassend der Support der KI für Augenärztinnen und Augenärzte sein kann. Allerdings bestehen hierzulande noch massive Hindernisse bei der Anwendung vieler KI-Apps. „Wir dürfen Patientendaten nicht in eine Cloud hochladen“, erklärt Eter. Die Augenärztin hofft, dass sich das Problem bald umgehen lässt – etwa, indem man Applikationen lokal herunterlädt. Jedenfalls seien Lösungen rasch erforderlich. „KI revolutioniert gerade die Art und Weise, wie Augenkrankheiten diagnostiziert und behandelt werden“, betont Eter. „Da sollte Deutschland nicht außen vor bleiben.“
Quelle: Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft
Symbolbild: Marina Vitale (Unsplash)