Einleitung
Der KH-IT begrüßt den Ansatz des Gesetzes zur Schaffung einer Digitalagentur Gesundheit (GDAG) als Versuch, die digitale Transformation im Gesundheitswesen durch eine zentrale Steuerung voranzutreiben. Dennoch stellt sich die Frage, ob das Gesetz in der aktuellen Fassung tatsächlich den Bedürfnissen und Herausforderungen gerecht wird, die Krankenhäuser in der Praxis erfahren. Im Folgenden betrachten wir die wesentlichen Anforderungen aus Sicht des KH-IT und analysieren kritisch, inwiefern der vorliegende Gesetzesentwurf diesen gerecht wird.
1. Anforderung an klare Interoperabilitätsstandards
Ein zentrales Bedürfnis in den Krankenhäusern ist die Festlegung und konsequente Umsetzung verbindlicher Interoperabilitätsstandards. Die aktuellen Defizite in der Interoperabilität digitaler Systeme führen zu hohen Kosten, verzögerter Implementierung und zusätzlichem Personalaufwand für Schnittstellenlösungen. Dies beeinträchtigt nicht nur die Effizienz, sondern birgt auch Sicherheitsrisiken, da Insellösungen für sensible Patientendaten nur mit immer größerem Aufwand zu verwalten sind.
Das GDAG erwähnt die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Interoperabilität als zentralem Akteur für Standards im Gesundheitswesen. Dies ist zwar grundsätzlich positiv, aber es bleibt unklar, ob die Digitalagentur die nötigen Kapazitäten und die technische Expertise hat, um zügig und praxisnahe Interoperabilitätsstandards zu entwickeln. Auch die Frage, wie die Einhaltung dieser Standards durchgesetzt wird und welche Sanktionen bei Verstößen vorgesehen sind, bleibt offen. Hier besteht das Risiko, dass die Digitalagentur den bisherigen, oft langsamen Entwicklungsprozessen folgt, ohne dass die Krankenhäuser kurzfristig spürbare Verbesserungen erleben.
2. Flexible Anpassung an technologische Entwicklungen
Krankenhaus-IT-Abteilungen sind stark auf flexible und anpassungsfähige Lösungen angewiesen, um mit den schnellen technologischen Entwicklungen Schritt zu halten. Während der Gesetzesentwurf dem Bundesministerium für Gesundheit die Befugnis gibt, das Aufgabenportfolio der Digitalagentur flexibel anzupassen, gibt es keine konkrete Strategie zur Integration moderner Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) oder cloudbasierte Dienste, die Krankenhäuser dringend benötigen, um Daten effizient zu verarbeiten und Analysen durchzuführen.
Der Entwurf bleibt vage in Bezug auf die konkreten technologischen Anpassungen und priorisiert eher strukturelle als technologische Flexibilität. Die Krankenhaus-IT wird jedoch mit den Herausforderungen der Integration neuer Technologien und Standards in den bestehenden Systemen allein gelassen. Hier würde eine klare Roadmap der Digitalagentur, die technologische Meilensteine und innovative Lösungen explizit einschließt, den Krankenhäusern mehr Planungssicherheit und Orientierung bieten.
3. End-to-End-Verantwortung und Sicherstellung der Systemstabilität
Die Krankenhaus-IT-Leiter sehen es als notwendig an, dass eine zentrale Institution End-to-End-Verantwortung für die Stabilität und Sicherheit der Telematikinfrastruktur (TI) übernimmt. Krankenhäuser sind zunehmend auf eine stabile, durchgängige Verbindung und den zuverlässigen Austausch von Daten mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen angewiesen.
Die End-to-End-Verantwortung der Digitalagentur könnte theoretisch zu einer verbesserten Stabilität der Telematikinfrastruktur führen, jedoch ist nicht ausreichend dargelegt, wie die Agentur dies praktisch umsetzen will. Die Krankenhäuser haben in der Vergangenheit wiederholt erlebt, dass zentral gesteuerte Systeme komplex, teuer und häufig schwer zu betreiben sind, insbesondere wenn spezifische Anforderungen des Klinikalltags berücksichtigt werden müssen. Ein reines Marktmodell, bei dem Komponenten durch Ausschreibungen vergeben werden, könnte die Stabilität der Telematikinfrastruktur gefährden, da kurzfristig wirtschaftliche Überlegungen die Qualität beeinflussen könnten.
4. Sicherheit und Datenschutz in der Telematikinfrastruktur
Sicherheit und Datenschutz sind für Krankenhäuser als Betreiber kritischer Infrastrukturen von höchster Priorität. Die zunehmende Verlagerung sensibler Daten in zentrale Systeme bringt hohe Risiken mit sich, insbesondere angesichts der steigenden Bedrohungslage durch Cyberangriffe. Die Krankenhaus-IT-Abteilungen benötigen klare, transparente Richtlinien und Unterstützung bei der Implementierung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen.
Das Gesetz verleiht der Digitalagentur weitreichende Befugnisse im Bereich der Sicherheitsüberwachung und Gefahrenabwehr. Es bleibt jedoch fraglich, ob diese Befugnisse in der Praxis wirklich helfen werden, die spezifischen Sicherheitsbedürfnisse von Krankenhäusern zu erfüllen. Die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist zu begrüßen, jedoch bleibt unklar, wie die Agentur auf die einzigartigen Sicherheitsanforderungen von Krankenhäusern reagieren wird, die oft spezielle, nicht standardisierte Systeme einsetzen. Hier fehlen konkrete Unterstützungsangebote, etwa in Form von Beratungsleistungen oder Förderprogrammen für die Krankenhaus-IT.
5. Kosten- und Verwaltungsaufwand für die Umsetzung
Die Einführung und Nutzung zentraler Digitalisierungsmaßnahmen wie der elektronischen Patientenakte (ePA) sind mit erheblichen Kosten verbunden. Dies belastet Krankenhäuser finanziell, die bereits mit knappen IT-Budgets kämpfen. Der Verband der Krankenhaus-IT-Leiterinnen/Leiter fordert daher stärkere finanzielle Unterstützung für Krankenhäuser, insbesondere bei der Umsetzung verpflichtender Vorgaben, um nicht weiteren Kosten- und Verwaltungsaufwand ohne ausreichende Ressourcen tragen zu müssen.
Das GDAG sieht vor, die Kosten für die Telematikinfrastruktur durch die Digitalagentur zu senken. Ob diese Einsparungen jedoch tatsächlich die IT-Budgets der Krankenhäuser entlasten, ist fraglich. Der Gesetzentwurf bleibt vage hinsichtlich der Frage, wie genau die Digitalagentur für Kosteneinsparungen sorgen soll und welche Ausgaben durch Krankenhäuser selbst zu tragen sind. Zudem bedeuten die Implementierung und das Management der neuen Standards und Systeme weiterhin signifikanten personellen und zeitlichen Aufwand, der von den Krankenhäusern selbst getragen werden muss.
Fazit
Insgesamt bringt das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz aus Sicht des KH-IT sowohl Chancen als auch erhebliche Risiken mit sich. Der Gesetzentwurf bietet Potenzial für eine verbesserte Steuerung und Vereinheitlichung der Digitalisierung, jedoch fehlen an vielen Stellen praxisnahe Lösungen und konkrete Strategien zur Unterstützung der Krankenhaus-IT. Insbesondere im Bereich der Interoperabilität, Sicherheitsmaßnahmen und der technologischen Flexibilität bleiben zentrale Bedürfnisse der Krankenhaus-IT weitgehend unberücksichtigt. Ohne klare Zusicherungen zu finanzieller Unterstützung, Ressourcen und Beratung zur Umsetzung der Vorgaben läuft das GDAG Gefahr, zusätzliche Hürden und bürokratischen Aufwand für die Krankenhaus-IT zu schaffen, anstatt die Digitalisierung im Gesundheitswesen effizient und nachhaltig voranzutreiben. Der Verband fordert daher eine Überarbeitung des Entwurfs mit stärkerem Fokus auf die spezifischen Herausforderungen und Anforderungen von Krankenhäusern und ihren IT-Abteilungen.
Quelle: Bundesverband dere Krankenhaus-IT Leiterinnen und Leiter e.V.
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