Covid-19 verschärft die Klinik-Krise

Studie

Veröffentlicht 16.10.2020 13:30, Kim Wehrs

Die Covid-19-Krise hat die ohnehin angespannte Situation der Krankenhäuser in Deutschland deutlich verschärft. Fast sechs von zehn deutschen Kliniken (57 Prozent) rechnen für 2020 mit einem Defizit, im vergangenen Jahr schrieben noch 32 Prozent rote Zahlen. Staatliche Hilfen können Verluste nicht komplett ausgleichen. Ambulantisierung und Digitalisierung werden weiter beschleunigt. Das sind Ergebnisse der "Krankenhausstudie 2020" von Roland Berger. Für die Untersuchung haben die Autoren Klinikmanager der 600 größten Krankenhäuser in Deutschland befragt.

Hauptgrund für die roten Zahlen ist die rückläufige Auslastung während der Pandemie-Hochphase im März und April 2020. Hier sank die Belegung der Intensivstationen großer Krankenhäuser mit über 1000 Betten um 27 Prozent, auf Normalstationen sogar um 37 Prozent.
„Das Gesundheitssystem in Deutschland funktioniert – das hat sich während der Covid-19-Krise einmal mehr gezeigt. Aber die wirtschaftliche Situation vieler Kliniken hat sich durch die Pandemie noch einmal deutlich verschlechtert,“ sagt Peter Magunia, Partner bei Roland Berger. „Mit einer schnellen Erholung der Patientenzahlen und damit verbundenen Einnahmen ist nicht zu rechnen. Um in dieser Situation zu bestehen, sollten Häuser noch offener für intensivere Kooperationen mit anderen Kliniken sein, ihre ambulanten Angebote gezielt ausbauen und Schritt für Schritt Reformvorhaben im Bereich Digitalisierung vorantreiben.“

Ausgleichszahlungen können Erlösausfälle nicht kompensieren

Das im März verabschiedete Krankenhausentlastungsgesetz billigt den Kliniken pro Tag eine Pauschale von 560 Euro pro freigehaltenem Bett zu. Insbesondere bei den großen Häusern mit mehr als 1.000 Betten konnten diese Mittel die Ausfälle nicht kompensieren: 75 Prozent dieser Kliniken gaben in der Studie an, dass diese Hilfen, die durch Covid-19 entstandenen Erlösausfälle nicht auffangen können. Die Situation verschärft sich durch die Tatsache, dass sich die Kliniken nur langsam wieder füllen. Die Mehrzahl der befragten Krankenhausmanager rechnet damit, dass sich die Patientenzahlen frühestens nach sieben Monaten wieder erholen werden. Fünf Prozent der Befragten gehen sogar davon aus, dass das Vorkrisen-Niveau nie mehr erreicht werden kann.

Ende einer Ära - Aufbruch ins neue Jahrzehnt
Der Fokus dieser Ausgabe liegt neben der technischen Verfügbarkeit verschiedener digitaler Lösungen vor allem auf deren wahrgenommener Güte im Sinne von Nutzen, Nützlichkeit und Benutzerfreundlichkeit aus Sicht von ärztlichen und pflegerischen Leitungskräften – ebenjene Aspekte, die mit fortschreitender Digitalisierung immer weiter in den Vordergrund getreten sind. Weiterhin werden wichtige Barrieren und Innovationstreiber beleuchtet und durch den Vergleich zu Österreich und der Schweiz, Defizite und Stärken der verschiedenen Gesundheitssysteme und Politikansätze verdeutlicht. Insgesamt konnten Daten von 608 Krankenhäusern gewonnen werden (492 aus Deutschland, 49 aus Österreich und 67 aus der deutschsprachigen Schweiz). Da auch ein Großteil der deutschen Universitätskliniken – und damit die wesentlichen Stützen der medizinischen Forschungslandschaft in Deutschland – an der Umfrage teilgenommen haben, gibt es dieses Jahr eine zusätzliche Sonderanfertigung, die ausschließlich
die Universitätsmedizin in den Fokus nimmt.

Trends und Herausforderungen
Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig es ist, ein Gesundheitswesen so aufzustellen, dass es im Falle eines selten eintretenden katastrophalen Ereignisses die vorhandenen Ressourcen rasch umwidmen und weitgehend unabhängig von anderen Staaten agieren kann. Dazu braucht es konsequent durchdachte Konzepte für verschiedene Katastrophenfälle. Darin muss geklärt sein, wie die knappen Ressourcen des Gesundheitswesens zugeteilt werden, wie das „Katastrophen-Controlling“ erfolgt und welche Versorgungsdaten dazu erforderlich sind, wie Ausfallkonzepte aussehen und wer welche Verantwortung trägt. Darüber hinaus müssen Lieferketten so gestaltet werden, dass sie nicht allein auf einem Zulieferunternehmen und einer Weltregion aufsetzen. Zudem muss es im Katastrophenfall umgehend möglich sein, die heimische Produktion derart umzustellen, dass sie wichtige Güter zur Bewältigung der Katastrophe herstellen kann. Ebenso ist ein deutlicher Ausbau der Telemedizin anzustreben. In all diesen Punkten sollten die Erfahrungen der aktuellen Pandemie für weitere Verbesserungen genutzt werden.
Spätestens nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 werden die massiven finanziellen Belastungen aus der COVID-19-Pandemie im gesamten Gesundheitswesen zu spüren sein, erwarten Gesundheitsexperten. Umso wichtiger ist es, die Gesundheitsversorgung effizient und demografiefest zu gestalten.

Quelle: Augurzky/Krolop/Pilny/Schmidt/Wuckel: Krankenhaus Rating Report 2020. Ende einer Ära. Aufbruch in ins neue Jahrzehnt. ISBN: 978-3-86216-628-2. medhochzwei Verlag


Die Krise als Beschleuniger für Trends

Grundsätzlich spielt die Organisationsstruktur eines Krankenhauses eine immer wichtigere Rolle für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. In 2019 erzielten 76 Prozent der in einem
Verbund organisierten Kliniken zumindest eine schwarze Null. Bei den eigenständigen Kliniken verzeichneten 38 Prozent ein Defizit. „Die Verbundkliniken profitieren von Synergieeffekten und stehen in Summe signifikant besser da. Covid-19 wird den Trend zu mehr Zusammenarbeit noch weiter beschleunigen“, meint Magunia. Auch das Thema Digitalisierung gewinnt weiter an Bedeutung. „Immer öfter wird in den Kliniken über neue Angebote wie Videosprechstunden oder ein digitales Monitoring von Patienten nachgedacht“, kommentiert Magunia. Darüber hinaus nahmen die stationären Fallzahlen auch schon
vor Corona ab, gerade in diesem Bereich wollen viele Häuser aber Wachstum erzielen. „Jede Klinik sollte sich genau überlegen, wo die Nachfrage im stationären Bereich am stärksten wegbricht und ihre ambulanten Angebote selektiv anpassen“, betont Magunia.

Peter Magunia, Roland Berger

Peter Magunia, Partner bei Roland Berger

Aus der Printausgabe des Krankenhaus-IT Journals, Ausgabe 04/05-2020


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