Warum ein KHZG 2.0 viel mehr sein könnte als nur eine Anschlussfinanzierung

Impulsgeber für vernetzte Medizin

Veröffentlicht 05.07.2024 10:30, Kim Wehrs

Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) im Herbst 2020 wurde ein bisher nie dagewesenes Finanzierungsprogramm für die Digitalisierung deutscher Krankenhäuser auf den Weg gebracht und mit dem Digitalradar erstmalig auch eine bundesweit einheitliche Vermessung des Digitalisierungsgrades realisiert. Schon früh gab es Bedenken und Diskussionen wegen des knappen Umsetzungszeitraums bis Ende 2024 sowie zur offenen Anschlussfinanzierung. Mit ablaufender Zeit und vielen Verzögerungen z.B. durch späte Bewilligungsscheide nimmt diese Diskussion erneut an Fahrt auf. Von Nils Alwardt, Ressortleiter IT & Digitalisierung, Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH

Die schwierige finanzielle Situation vieler Krankenhausträger stellt die Fortsetzung vieler Projekte in Frage oder lässt sogar Diskussionen über die Abschaltung von Systemen aufkommen. Dabei wird die Fortsetzung der KHZG – Förderung jedoch zu oft ausschließlich unter dem Aspekt der Weiterfinanzierung betrachtet. Die Anschubfinanzierung durch das KHZG könnte nämlich auch eine große Chance sein, Digitalisierung weiter zu gestalten und anstehende Reformen über Prozessverbesserungen und Vernetzung zu unterstützen.

Erste Gestaltungsversuche sind heute schon Bestandteil des KHZG. Insgesamt 11 Fördertatbestände setzen inhaltliche Schwerpunkte, die durch - teilweise sanktionsbewehrte - Muss-Kriterien zusätzlich untermauert werden. Diese Themenfelder bilden die Grundlage vieler Digitalisierungsprojekte, die heute  in deutschen Kliniken laufen. Das KHZG war also von Beginn an mehr als ein reines Finanzierungsinstrument. Es gibt vielmehr bis heute eine klare Richtung für die Digitalisierungsprioritäten vieler Kliniken vor.

Als Zwischenergebnis lässt sich feststellen, dass viele der damals festgelegten Themenfelder weiterhin wichtig sind. Die Notwendigkeit von digitaler Kurve, Medikation, Leistungsstellenmanagement oder einer volldigitalen Rettungsstelle wird heute niemand in Frage stellen. Ziel der Steuerung war bisher allerdings eine Art „Basisdigitalisierung“ interner Klinikprozesse, ergänzt um digitale Patientenservices. Die Förderung von Vernetzungen ist auch möglich, wurde aber bisher wenig inhaltlich ausgestaltet.

Bei vielen Fragestellungen hat sich der Fokus weiterentwickelt oder es wurden einfach praktische Erfahrungen gesammelt. Die digitale Kommunikation mit Patient*innen ist zweifelsohne wichtig – aber machen viele unterschiedliche Patient*innenenportale verschiedener Träger – insbesondere in großen Städten und Ballungszentren - wirklich Sinn? Wollen wir eine vernetzte Terminbuchung großen Datenplattformen mit kommerziellen Eigeninteressen überlassen? Wie sieht das Zusammenspiel mit der ePA oder Diensten wie TIM aus? Kann der bayrische Ansatz einer gemeinsamen Plattform für alle Kliniken nicht auch eine Lösung für andere Länder oder gar bundesweit sein?

Mit zunehmender Basisdigitalisierung der Kliniken wachsen auch die Möglichkeiten von Vernetzung und datenbasierter Medizin z.B. auf Basis von KI. Viele gute Ansätze sind hier in den letzten Jahren entstanden – regionale Gesundheitsnetze, das Hamburg Projekt H3 oder die Initiative Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg bieten vielversprechende Ansätze. Sie bleiben aber meistens lokale oder regionale Insellösungen. Diese gilt es nun zu flächendeckenden Standards fortzuentwickeln und intelligent mit heutigen und zukünftigen Lösungen der gematik zusammen zu bringen. Neben umfassenden Mehrwerten in der Versorgung könnten auf diesem Wege auch ganz neue Möglichkeiten für Forschung entstehen.

Für alle diese Themen bedarf es eines organisatorischen und technischen Gesamtbildes sowie einer Förderung welche die richtigen Umsetzungsanreize setzt. Die Zeit ist reif: Mit dem Auslaufen der KHZG- Förderung und den anstehenden Veränderungen im deutschen Krankenhausmarkt müssen jetzt die Weichen gestellt werden. Auf diese Weise könnte ein KHZG 2.0 mehr als nur eine Weiterfinanzierung von Digitalisierung für klamme Krankenhauskassen sein. Der Gesetzgeber hat jetzt die Chance Impulse zu geben für eine digitale Weiterentwicklung der Versorgung und eine vernetzte Medizin zu geben. Das wäre doch mal wirklich ein Mehrwert!


Nils Alwardt
Nils Alwardt, Ressortleiter IT & Digitalisierung, Prokurist, Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH



Quelle: Krankenhaus-IT Journal, Ausgabe 03/2024 - Stand Juni 2024





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