Nach der KHZG-Projektwelle ist vor der KHZG Konsolidierungswelle

Krankenhauszukunftsgesetz:

Veröffentlicht 25.11.2024 11:40, Kim Wehrs

Vernünftige Digitalisierungsmaßnahmen erhöhen die Qualität, die Arbeitszufriedenheit und die Effizienz. In Summe sollten die Umsetzungen sinnvolle Investitionen darstellen, unabhängig davon, ob sie im Rahmen einer Förderung durchgeführt werden oder nicht.

Betrachtet man aus diesem Blickwinkel das KHZG, sollte sich jedes Krankenhaus über die zusätzliche Förderung von sowieso anstehenden Maßnahmen freuen. Doch weder für die einzelne Klinik noch mit Blick auf die Gesamteffekte ist die Welt so einfach.

Betriebskostensteigerungen in der Größenordnung von 1-2 % des Gesamtumsatzes

Nicht jede KHZG-Maßnahme stand vorher auf der Wunschliste der Klinken, oder zumindest nicht in dieser Priorität. Für geförderte Projekte könnte man meinen, dass der Schaden (interne Personalaufwände) nicht allzu groß sei. In Zeiten von Personalmangel und diversen Zumutungen im Sinne des Changemanagements, ist dies aber sicherlich schon falsch. Mit Blick auf die nicht refinanzierten laufenden Kosten ergibt sich hier eine signifikante zusätzliche Kostenposition - spätestens drei Jahre und einen Monat nach Eingang des Förderbescheids. Die Borchers & Kollegen Managementberatung GmbH hat in einer nicht-repräsentativen Erhebung die Daten von rund 40 Krankenhäusern analysiert. Im Schnitt kamen die Häuser auf laufende Kosten in Höhe von 0,5% - 1% des Gesamtumsatzes, die sich direkt aus den KHZG-Projekten ergaben. Häufig wer den diese von Begleit- und Folgeprojekten flankiert, die noch mals Kosten in ähnlicher Größenordnung verursachen.

Schattenaufwände und Querimplikationen

Kaum ein KHZG-Projekt lässt sich losgelöst von den anderen Maßnahmen betrachten oder ist mit den beantragten Mitteln vollständig umgesetzt. Dies wird insbesondere beim Fördertatbestand 2, den Patientenportalen schnell deutlich. Dem Krankenhaus entstehen direkte und gut kalkulierbare Kosten für die Implementierung (inkl. der Schnittstelle zum KIS) und entsprechende laufende Kosten für Wartung und Lizenzen. Darüber hinaus müssen aber Schulungen, Support, Redaktionstätigkeiten, Key-User*innen und mobile Endgeräte mitgedacht (und finanziert) werden. Attraktive Erweiterungen des Portals etwa in Form der digitalen Signatur, Bedside Terminals oder Check-in-Terminals verursachen zusätzliche Kosten. Dies gilt auch dann, wenn sie in einem guten Verhältnis zum geschaffenen Mehrwert stehen. Dieser „Netto-Mehrwert“ realisiert sich allerding meist nur, wenn die Wirkung über einen längeren Zeitraum betrachtet werden.

Hohe Latenz beim ROI

Einige Projekte (insbesondere im Fördertatbestand 3) führen direkt zu besseren Prozessen und Entlastung der Mitarbeitenden, was letztlich betriebswirtschaftlich gegengerechnet werden kann. So ergeben sich für einzelne Digitalisierungsmaßnahmen schnell die gewünschten Returns on Invest (ROI). Für viele Maßnahmen gilt dies aber nicht. Etwa im Bereich der IT-Sicherheit und dem Patientenportal, sind ROI entweder nicht sichtbar (es sei denn man rechnet Sicherheitsvorfälle gegen) oder realisieren sich nur sehr langsam (und setzen eine entsprechend etablierte Nutzung voraus). Die hohe Latenz beim Return sollte nicht als Gegenargument gesehen werden, als vielmehr bei der Auswahl, Argumentation und Umsetzung Berücksichtigung finden.


Kein Spielraum für Geldvernichtung

Digitalisierungsmaßnahmen, die ihren positiven Effekt nicht direkt nachweisen können, werden es in den nächsten Monaten in jedem Fall sehr schwer haben. Entscheider*innen in deutschen Krankenhäusern sind aktuell maximal auf wirtschaftliche Stabilisierung getrimmt. 80 % der Häuser schreiben rote Zahlen, 80-100 von ihnen werden dieses Jahr in die Insolvenz gehen und monatlich fehlen laut DKG rd. 500 Mio. €, um die Kosten zu decken, die die Patientenversorgung sichern. Alles was weder zwingend notwendig noch mit positivem Kosteneffekt ist, wird als Geldvernichtung abgetan. Wer das nicht in der Planung und Kommunikation berücksichtigt, wird wenig Erfolg mit der Anbahnung sinnvoller Digitalisierungsmaßnahmen haben.

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Abbildung 1: Direkte und Indirekte Kosten am Beispiel eines Patientenportals (FTB 2)



Fazit

Wer Abseits von rechtlichen Zwängen Digitalisierung vorantreiben möchte, benötigt ein gutes Narrativ. Am einfachsten funktioniert das in diesen Zeiten mit einer sauberen Analyse des ROI – zumindest, um das Gehör zu haben, was für die tiefere Auseinandersetzung und strategische Einbettung notwendig ist. Darüber hinaus lassen sich mit nach haltigen Finanzierungs- und Betriebsmodelle (etwa Pay-per-Use und strategischen Partnerschaften) sowie einem professionellem Etablierungsmanagement und skalierbarer IT-Infrastruktur, Kostenrisiken händeln und die notwendige Anpassungsfähigkeit für die Zukunft schaffen.


Über den Autor:

Prof. Dr. Jan Appel, Professor für Wirtschaftsinformatik an der IU Internationale Hochschule und Partner bei der Managementberatung Borchers & Kollegen wirbt für realistische „ROI-Narrative“ bei zukünftigen Digitalisierungsprojekten. – Kontakt j.appel@borchers-kollegen.de


Der Return on Invest (ROI) von Patienten(service) portalen

Der kurzsichtige Blick auf das "Mitnehmen" der KHZG Anschubfinanzierung ist gefährlich - es fördert "Shelfware", die im günstigsten Falle kaum genutzt und keine großen Kosten, aber eben auch keine Einnahmen hervorruft. Dennoch geben über 50% der Auftraggeber von FTB2 Patientenportalen an, dass die vorrangige Motivation auf Mitnahmeeffekten beruht, nach dem Motto „erst einmal vergeben, dann überlegen wir was wir damit anfangen können“.

Die „Community Patientenservices“ hat ein Verfahren gewählt, um den Blick für die wirtschaftlichen Potenziale zu öffnen. In einem Delphi-Verfahren wurde über eine öffentliche Veranstaltungsserie Q2/2024 mit Projektverantwortlichen von Krankenhäusern, Patientenportal-Anbietern dieser Frage nachgegangen. Wir stellen die Ergebnisse und Erkenntnisse für die strategische ROI-Sicht aus dem „Think talk“ der Diskussion mit den bis zu 40 Veranstaltungsgästen vor. Was zählt, ist eine gemeinsame Sicht auf die angestrebte Digitalisierungsrendite In der Anfangsphase der Anschubfinanzierung muss nicht notwendigerweise ein exakter Beweis für die wirtschaftlichen Mehrwerte (Digitalisierungsrendite) geführt werden. Viel wichtiger ist, dass alle maßgeblichen Entscheider im gesamten Unternehmen ein gemein-sames Verständnis haben, in welchem Bereich ein Return on Invest angestrebt wird. Bleibt die Beschaffung und Steuerung auf die IT beschränkt, sind Missverständnisse und Projektineffizienzen vorprogrammiert.


Schritt 1: Mehrwerte aus Unternehmenssicht denken

Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Die Frage lautet nicht, wofür die Patientenportale genutzt werden könnten, sondern welche Antworten sie für die Fragen liefern, die überlebenswichtig für das Unternehmen sind. Fachkräftemangel im demographischen Wandel und kostbare Zeit des Personals sind die eigentlichen Treiber, und die Herausforderung sind für jedes Haus unterschiedlich zu betrachten. 

Eine „Mehrwertlandkarte aus der Community wurde mit allen Vorteilen gefüllt, die laut Wahrnehmung der Teilnehmer im öffentlichen Diskurs diskutiert wurden. Die acht Beispiele der Erhebung (s.Tabelle) wurden in einer Live-Umfrage zur DMEA präsentiert und nach Höhe des vermuteten ökonomischen Potenzials für das Unternehmen vom anwesenden Fachpublikum priorisiert (SLIDO-Umfrage). Die häufigsten Nennungen betrafen schlanke und medienbruchfreie Aufnahmeprozesse, Optimierung der Terminbuchungsablaufe und die vor- und nachgelagerte Versorgungssteuerung (n=28).<<<<<<<

Schritt 2: Change-Aufwand von hybriden SOLL-Prozessen mitkalkulieren

Die Einführung von Patientenportalen geschieht nicht von heute auf morgen, negative Einnnahmeneffekte wie Changekosten und Akzeptanz der Stakeholder sind einzukalkulieren. Die „SOLL-Prozesse“ sollen nicht 1:1 die analogen Prozesse abbilden, sondern als hybride Prozesse sowohl analoge als auch digitale Bestandteile mitdenken und schrittweise eingeführt werden. Neue Rollen und Strukturen für das Management der „Kundenbeziehung“ brauchen Veränderungsarbeit und Zeit, um in der täglichen Routine bei allen Akteuren im Prozessverlauf anzukommen.

Von den Teilnehmern wurde die Einführung von hybriden Terminbuchungs-prozessen wurde als relativ einfach, eine Aufnahmesteuerung im Hintergrund als mittel und eine regionale Versorgungssteuerung im Verbund als sehr komplex eingeschätzt.

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Schritt 3: Return on Invest von Anfang an messbar machen

Egal womit gestartet wird - eine konkrete Vorstellung der Zielparameter ist notwendig, an den tatsächlich erzielten Return on Invest zu verfolgen. Optimierte Terminbuchungsabläufe sollen die Zeit der MfA am Telefon einsparen. Gelingen schlanke und medienbruchfreie Aufnahmeprozesse, wird immer weniger Papier ausgedruckt und wieder eingescannt. Bei flexibaler Auslastungs- und Ressourcensteuerung sind teure Modalitäten wie OP und MRT durchgetaktet und Terminausfälle („no show rate“) werden geringgehalten. Erfolg hat nur, wer diese Parameter von Projektbeginn an als „Nullpunktmessung“ erfasst, idealerweise aus den Datenströmen ableitet und auf dieser Grundlage im Projektverlauf und im Betrieb Entscheidungen fällt.

„Gewinner“ ist Onboarding und Terminbuchung. Keine Überraschung?

In Summe scheint die Optimierung der Terminbuchungsabläufe selbst unter Berücksichtigung des Change-Aufwands für gemischt analoge und digitale Prozesse an der Schnittstelle zum Patienten und seinem Umfeld das beste Aufwand/Nutzen Verhältnis zu haben, um mög-ichst mit wenig Zeit am Telefon für Terminabstimmungen und -änderungen auszukommen. Dies wird oft mit den Registrierungs- und Onboardingprozessen verknüpft.

Wie nutzerfreundlich und intuitiv dies gelingt, hängt vom Geschick in den Projekten ab; es empfiehlt sich von der Lernkurve anderer Unternehmen wie z.B. den Helios-Kliniken zu profitieren, die dies bereits seit 2017 praktizieren.

Fazit – eine Blaupause für den Strategieprozess!

Die gewählten Prioritäten spiegelten interessanterweise nicht immer die Ersteinschätzung des Autors oder der Community-Mitglieder wider. Was nicht bedeutet, dass eine der Parteien recht hat. Der Vorgang zur gemeinsamen Erkenntnisgewinnung ist das eigentlich Spannende daran. Nach diesem Muster lassen sich für ein beliebiges Haus mit einfachen Mitteln Leitplanken für die Digitalisierungsstrategie ableiten und gemeinsam diskutieren – damit alle Beteiligten an einem Strang ziehen können.


Über den Autor:

Dr. med. Thies Eggers, Arzt und Community Manager ist überzeugt, dass positive Kosteneffekte als Digitalisierungsrendite grundsätzlich vorhanden sind, aber oft mit mehrjähriger Latenz auftreten. Damit auf dem Weg dahin nicht die "Luft" ausgeht, müssen alle betroffenen Parteien an einem Strang ziehen. Kontakt über thies.c.eggers@gmail.com



Quelle: Krankenhaus-IT Journal, Ausgabe 03/2024


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