Beim Special-Webmeeting des Health-IT-Talks Berlin-Brandenburg am 11.3.2021 stand das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) im Mittelpunkt. Das Gesetz nimmt Fahrt auf: Wenn das Geld vorhanden ist, fangen alle an zu laufen. Es verbreitet sich Insiderwissen über Zeitschienen, Fördertatbestände sowie Muss- und Kann-Kriterien. Zeit für IT-Verantwortliche, ihre Rolle zu reflektieren und das KHZG aus der Praxis heraus mit Blick auf die Gesetzgebung einzuordnen.
Ob Krankenhäuser aus eigener Kraft den Impact der digitalen Herausforderungen bewältigen können? Das traditionelle Gesundheitssystem ändert sich. Auf alle Machtblöcke und Protegés kommt ein immenser Änderungsbedarf zu. Ein maßgeblicher Treiber ist der Patient als aktives Element mit neuen digitalen Zugriffsmöglichkeiten. Auch Krankenkassen begreifen den digitalen Wandel. Als Richtungsweiser sind sie den Krankenhäusern ein ganzes Stück voraus. Da Deutschland im internationalen Vergleich in Sachen IT im Gesundheitswesen hinterherhinkt, ist das KHZG und die damit verbundene Förderung Treibstoff für viele Bereiche in Krankenhäusern, inklusive der IT-Sicherheit, auf die 15 Prozent des Fördertopfes entfallen. Sie brauchen die Anschubfinanzierung für die ersten Jahre. So betonte Gunther Nolte, Prokurist und Ressortleiter IT & Digitalisierung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH, Berlin: „Ja, diese Finanzierung ist für die Krankenhäuser notwendig.“ Das Programm sei fachlich und inhaltlich stimmig.
Beim Blick auf die Mittel, um die Leistungserbringer auf ein höheres Digital-Niveau zu heben, zeigt sich ein wohl nicht auflösbares Paradoxon. Zwar sind über 4 Milliarden des KHZG-Fünfjahresplans vorhanden. Ist dadurch die nachhaltig belastbare Entwicklung gesichert - oder fallen die Krankenhäuser danach wieder in das Mittelmaß zurück? Realistisch gesehen wird mehr gebraucht. Denn Untersuchungen zeigen beim Branchenvergleich von digitalem Reifegad, Automatisierung und qualitativem Outcome doch Größenordnungen von 20 bis 30 Milliarden Nachholbedarf. Gunther Nolte bleibt optimistisch: „Wir gewichten die Chancen sehr viel höher als die Risiken.“
Hohe Werte und große Summen
Es geht um hohe Werte und große Summen. Gunther Nolte kommt bei der Aufzählung der Kosten - 25% Sachkosten (Wartung, Software-Pflege, externe Dienstleistungen), 20% Personalkosten sowie 25% für Investitionen - zur Ansicht, diese Aufteilung könne für eine große Zahl der Krankenhäuser gelten. Das zeigten auch Benchmarkings auf. Ausgeklammert bleiben andere Berufsfelder wie Ärzte Pflege oder auch Medizintechnik mit IT-Anforderungen.
Doch bedenklich stimmt den IT-Manager, dass die Zahlen beim Zuwachs eine Erhöhung um 60% p.a über die Dauer von 4 Jahren ausweisen. Gunther Nolte: „Mit fehlt die Phantasie, wie es zu bewältigen ist.“ Woher sollen die Kapazitäten kommen? Der Markt der Beratungen und der Software-Entwicklungshäuser nicht nur in Deutschland ist leer gekauft. Paradox ist: „Geld und die Möglichkeiten sind vorhanden, aber eben nicht IT-Fachkräfte.“ Bereits seit längerem mangelt es daran.
Bestehen bleiben auch die Sachkosten. Jede Investition verursacht ca. 25% Folgekosten p.a. „Im Jahr 2025 zeigen sich Folgekosten im Volumen von über 100 Millionen. Das ist dann eigen zu finanzieren.“ Zwar sind neue digitale Technologien im Einsatz mit Optimierungspotenzial. Ob diese Werte zum Ausgleich führen können, ist eher Glaubenssache.
Abb Fördervolumen
Dritte Achse „Digitaler Reifegrad“
Der KHZG-Grundsatz „digitale Reifegradmessung“ kann Daten erbringen, durch die sich Häuser unterschiedlichster Coleur nach Größenordnung, Versorgungsstufe, regionalen Gegebenheiten vergleichen lassen. Fehlt ein solcher Qualitäts- Standard für Krankenhäuser im deutschen Gesundheitswesen? Als ähnliche Messlatten sind KRITIS und DSGVO bereits installiert. Auf die dritte Achse „Digitaler Reifegrad“ sollten sich Verantwortliche gut vorbereiten. Es zeichnet sich ein Wettbewerb ab, gemessen an diesen Achsen und ihren Auswirkungen für die Krankenhäuser. Allerdings wird der Digital-Wettbewerb zwischen ihnen wohl kaum zu einer Gleichheit führen. Gunther Nolte meint: „Vielmehr kommt es zu veränderten Formen der Zusammenarbeit und anderen Zuschnitten.“
Für den IT-Manager Gunther Nolte gibt es in der nachhaltigen Entwicklung der Digitalisierung eine Maxime. „Wir müssen Interoperabilitäts-Standards einhalten.“ Das betont auch das KHZG: Die Interoperabilität zu diesen Standards ist im Rahmen von Förderanträgen darzustellen und die tatsächliche Umsetzung und Implementierung am Projektende nachzuweisen. Digitalisierungsziel ist die Durchdringung der durch die Förderung finanzierten Projektvorhaben im gesamten Unternehmen im täglichen Routineeinsatz für hunderte von Mitarbeitern. Die Konturen sind hohe Komplexität, hohe Varianz an Beteiligten, hohes Kommunikationsgeschehen und auch hoher Abstimmungsbedarf. Notwendig dafür ist, eine professionelle Projektorganisation aufzubauen, nachzuhalten und die Inhalte zu kontrollieren.
Beim Special-Webmeeting des Health IT Talks am 11.3.2021 stellten außerdem formal-fachliche Inhalte vor: Thomas Süptitz, Leiter des BMG-Referats 512 – Cybersicherheit und Interoperabilität, die Landesebene mit Fokus auf Berlin Helge Franz, Referatsleiter Krankenhauswesen der Senatsverwaltung für Gesundheit Berlin.
Health-IT Talk
Branchenprofis tauschen sich im monatlich stattfinden Health-IT-Talk Berlin-Brandenburg verbands- und fachrichtungsübergreifend zur Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft aus. Die vier Partner (BVMI, KH-IT, SIBB, TMF) beschäftigen sich mit aktuellen Branchenthemen in Fachvortrag und Diskussion.
www.health-it-talk.de
Foto: Gunther Nolte, Prokurist und Ressortleiter IT & Digitalisierung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH, Berlin: „Wir gewichten die Chancen sehr viel höher als die Risiken.“
Quelle Text: Wolf-Dietrich Lorenz
Quelle Bild: Vivantes