Professur Technische Informatik ist an der Entwicklung eines neuen Rettungssystems beteiligt, dass u. a. bei Notfällen im Wasser zum Einsatz kommen und überlebenswichtige Zeit beim Retten verkürzen kann
Aus der Statistik der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) geht hervor, dass im Jahr 2022 mindestens 355 Personen in Deutschland ertranken. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl um 56. Angesichts dieser Zahlen sind neue Lösungen gefragt, um Menschen möglichst schnell in offenen Gewässern vor dem Ertrinken zu bewahren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universitäten in Chemnitz und Dresden, der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und des Brandenburgischen Instituts für Gesellschaft und Sicherheit in Potsdam entwickelten gemeinsam mit der Björn-Steiger-Stiftung für Lebensrettung sowie Unternehmen und Rettungsexperten ein neues drohnenbasiertes Rettungssystem.
Eine Hauptkomponente ist neben der Drohne ein intelligenter Drohnenhangar. Entwickelt wurde dieser mit viel Technik vollgepackte Hangar innerhalb von zwei Jahren an der Professur Technische Informatik der TU Chemnitz (Leitung: Prof. Dr. Wolfram Hardt) im Rahmen des Projektes „RescueFly“ – gefördert vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr. „Unser intelligenter Outdoor-Drohnenhangar ist eine Weltneuheit und ermöglicht verschiedene autonome Einsatzszenarien für zivile Drohnen“, sagt Hardt. Erstmals kam er im Oktober 2023 bei einem RescueFly-Demonstratorflug am Partwitzer See in Sachsen zum Einsatz. Dabei wurde in einer simulierten Situation ein Ertrinkender nach dem Auslösen eines Notrufes innerhalb weniger Minuten von einer Rettungsdrohne auf dem See lokalisiert und mit einem Schwimmkörper zum Anklammern versorgt. Zudem übermittelt die Drohne die genaue Position des Einsatzortes an Feuerwehr und Wasserwacht, was bei größeren und mitunter schwer zugänglichen Seen von Vorteil ist.
Wie läuft eine derartige Rettungsmission, bei der es um lebensrettende Minuten geht, ab? Zuerst wird der intelligente Drohnenhangar drahtlos von der Leistelle der Feuerwehr, bei der ein Notruf einging, informiert. Er prüft die Wetterkonditionen vor Ort sowie die Einsatzbereitschaft der Rettungsdrohne und öffnet innerhalb von fünf Sekunden vollautomatisch. Die im Stand-by-Betrieb stehende, mit Sensoren versehene Drohne erhält ebenfalls drahtlos vom Hangar die Startfreigabe und fliegt schnell auf einem vorher festgelegten, sicheren Pfad zum Einsatzgebiet. „Der automatische Start verkürzt die Zeit, bis der Schwimmer in Not identifiziert und mit einem Rettungsmittel unterstützt werden kann, erheblich“, versichert Hardt. Nach Rückkehr der Rettungsdrohne zur Landeplattform schließt sich der intelligente Drohnenhangar wieder vollautomatisch. Sechs eingebaute Kameras mit Ringlichtbeleuchtung unterstützen danach die KI-gestützte Inspektion der im Hangar verbliebenen Rettungsdrohne, die dort auch autonom aufgeladen wird. Beispielsweise wird überprüft, ob Rotoren beschädigt sind. Nach dem Check wird die Rettungsleitstelle über die Einsatzbereitschaft der Drohne informiert.
Reda Harradi hat maßgeblich die Entwicklungsarbeiten des Drohnenhangars an der Professur Technische Informatik der TUC verantwortet: „Die richtige Auswahl der Einzelkomponenten und der Einsatz moderner Programmierung haben diesen intelligenten Drohnenhangar erst möglich gemacht.“ Studierende aus den Masterstudiengängen Automotive Software Engineering sowie Automobilinformatik der TUC unterstützten mit Master- und Projektarbeiten das Forschungsvorhaben.
Hardt blickt nach dem Ende des bundesländerübergreifenden Forschungsprojektes optimistisch voraus: „Mit diesem Meilenstein können wir nun professionell autonome Drohneneinsätze in der Wasserrettung national und international unterstützen. Wir freuen uns deshalb auf weitere Kooperationspartner, die mit uns gemeinsam an weiteren Einsatzszenarien forschen möchten.“ Für den praktischen Einsatz der dezentral aufstellbaren Drohnenhangars sei es jedoch wichtig, dass sich Kommunen und die Träger von Rettungsdiensten dafür stark machen und in die Hardware und deren Wartung sowie in Notrufsäulen und -telefone investieren. Wichtig sei es auch, das Rettungssystem weiter unter verschiedenen Wetterbedingungen zu testen, um die zugrundeliegende Künstliche Intelligenz mit Bilddaten und weiteren Informationen zu versorgen und so zu optimieren. „Unser Drohnenhangar eignet sich aber auch für den Einsatz bei der Überwachung von Hochspannungsleitungen in schwer zugänglichen oder abgelegenen Gebieten, bei der Waldinspektion oder bei der Überwachung von Nationalparks, um Wilddieberei einzudämmen“, sagt Hardt.
Foto: Reda Harradi (l.) und Prof. Dr. Wolfram Hardt von der Professur Technische Informatik der TU Chemnitz testen im Labor das Zusammenspiel zwischen Drohne und Hangar. Foto: Jacob Müller
Quelle: Technische Universität Chemnitz