Erweiterter OP-Trainingssimulator besteht klinischen Praxistest

VR

Veröffentlicht 10.11.2023 09:00, Dagmar Finlayson

Wissenschaftler der Professur Produktionssysteme und -prozesse der TU Chemnitz haben mit Chirurginnen und Chirurgen ihre weiterentwickelte Virtual-Reality-Simulation für Hüftoperationen erfolgreich erprobt – Einsatz von Hüftprothesen in der chirurgischen Ausbildung kann gefahrlos und beliebig oft trainiert werden

Bei Hüftoperationen müssen Ärztinnen und Ärzte oft große Kräfte aufwenden. Gleichzeitig kommt es am OP-Tisch darauf an, so präzise wie möglich zu arbeiten. Dr. Mario Lorenz und Sebastian Knopp, Wissenschaftliche Mitarbeiter der Professur Produktionssysteme und -prozesse (Leitung: Prof. Dr. Martin Dix) der Technischen Universität Chemnitz, haben einen virtuellen Operationssimulator weiterentwickelt, mit dem Chirurginnen und Chirurgen den nötigen Kraftaufwand und ihr Feingefühl beim Einsetzen eines Hüftimplantats praxisnah trainieren können. Ziel der Forschenden war es, den Ärztinnen und Ärzten möglichst gleiche Sinneswahrnehmungen wie bei einer realen Operation zu vermitteln, zum Beispiel den Widerstand des Knochens beim Sägen und Ausschaben. Die Kombination von Virtual Reality und speziellen Haptik-Geräten macht dies nun möglich. „Die verwendete technische Basis hat das Potential, den gesamten Bereichen der Aus- und Weiterbildung für Gelenksersatzoperationen zu revolutionieren“, sagt Lorenz.

Operateure können bei der virtuellen Operation reale Kräfte und Widerstände spüren

„Wir können nicht nur das Ausfräsen der Hüftpfanne simulieren, sondern alle fünf Hauptschritte der Hüftimplantat-Operation“, ergänzt Knopp. Dazu zählen das Absägen des Oberschenkelknochenkopfes, das Ausfräsen und das Einsetzen des Hüftpfannenimplantats, das Ausraspeln des Inneren des Oberschenkelknochens und zuletzt das Implantieren des Schaftes. Die haptische Rückmeldung erfolgt mit einem speziell für diese Anwendung weiterentwickelten Haptik-Gerät der HAPTION GmbH. Für das Sägen und Fräsen haben die Chemnitzer Wissenschaftler ein Handstück gebaut, das die Vibrationen bei der Bearbeitung realitätsnah simuliert. Zusätzlich haben die Forscher einen eigenen Einschlagapparat entwickelt und zum Patent angemeldet, da die Chirurginnen und Chirurgen beim Einsetzen des Implantats, beim Ausraspeln des Knochens und beim Implantieren des Schaftes so große Kräfte aufbringen müssen, dass weder ein Roboter noch das Haptik-Gerät dafür geeignet gewesen wären.

„Wir haben biomechanische Messungen durchgeführt und herausgefunden, dass der Einschlagapparat während des OP-Trainings Impulsen von 22 Kilonewton standhalten muss“, so Lorenz. Für diese Versuche an Körperspendern mussten sowohl der Versuchsaufbau als auch die Messtechnik komplett neu entwickelt werden. Diese Arbeiten wurden gemeinsam mit Forschenden des Zentrums zur Erforschung der Stütz- und Bewegungsorgane (ZESBO) am Universitätsklinikum Leipzig und von der Medizinischen Universität Graz durchgeführt. Die Universität Bremen hat im Projekt neue haptische Rendering-Methoden für zweihändige Arbeitsaufgaben bei den verschiedenen Operationsschritten entwickelt und auf die Bedienung des Einschlagapparats übertragen.

Expertinnen und Experten können aus der Ferne hinzugeschaltet werden

Das fertige Trainingssystem kann nun entweder als Gesamttraining oder in einzelnen Modulen mit drei verschiedenen Schwierigkeitsgraden genutzt werden. Darüber hinaus gibt es Multiplayer-Modi für die Zusammenarbeit räumlich entfernter Ärztinnen und Ärzte, bei denen eine Person operiert, eine zweite Person anleitet und weitere Zuschauerinnen und Zuschauer im selben virtuellen Raum der Operation beiwohnen können. In der VR-Simulation führen Texte und Bilder durch die einzelnen Operationsschritte. Diese wurden von der FAKT Software GmbH mit Unterstützung der YOUSE GmbH auf Basis des klinischen Wissens der Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz konzipiert und umgesetzt. Darüber hinaus hat die FAKT Software GmbH die Möglichkeit geschaffen, das OP-Training aufzuzeichnen, später wieder abzuspielen und dabei erneut die OP-Schritte parallel mit Audio-Kommentaren nochmals zu üben. Die CAT Production GmbH hat unter Anleitung von Privatdozent Dr. med. habil. Dirk Zajonz, leitender Oberarzt an den Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz, die 3D-Modelle einer virtuellen Patientin visuell optimiert.

Umfangreiche Nutzerstudie stellt Akzeptanz der medizinischen VR-Anwendung sicher

In die gesamte Entwicklung wurden orthopädische Chirurginnen und Chirurgen einbezogen. Sie formulierten detaillierte Anforderungen und bewerteten in der letzten Projektphase in einer umfangreichen Nutzerstudie den fertigen Trainingssimulator, um die Akzeptanz der medizinischen VR-Anwendung sicherzustellen. An der Evaluation nahmen 17 Probandinnen und Probanden – von der Medizinstudentin bis zum Chefarzt – teil. „Wir freuen uns sehr, dass die Evaluation unserer Anwendung in den Zeisigwaldkliniken hier in Chemnitz so gut verlaufen ist und die Versuchspersonen unser System als nützlich, sinnvoll und realitätsnah einschätzen, auch wenn es noch Verbesserungspotential gibt“, meint Lorenz.

Das Projekt „DynamicHIPS“ wurde an der TU Chemnitz von Mai 2020 bis April 2023 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 442.000 Euro gefördert und zweifach mit einem Science Award des Deutschen Instituts für Virtuelle Realitäten ausgezeichnet.

Multimedia: Einen Videobeitrag zu „DynamicHIPS – Haptisches Virtual Reality Training für Hüftimplantatsoperationen“ findet man hier: https://www.youtube.com/watch?v=5Sy0aEhfFQw

Bild: PD Dr. med. habil. Dirk Zajonz, leitender Oberarzt an den Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz, evaluiert das neu entwickelte Trainingssystem für Hüftgelenkersatzoperationen. Foto: Nina Pillen

Quelle: Technische Universität Chemnitz


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