Erstmalig zeigt eine Studie den digitalen Reifegrad deutscher Kliniken im internationalen Vergleich auf. Demnach glänzt der Datenschutz, aber die Patientenzentrierung konvergiert gegen Null.
Die AHIME Academy zeigt erstmals auf dem Entscheider-Event die Ergebnisse dieser Studie und stellt diese der Öffentlichkeit vor. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden 52 deutsche Krankenhäuser nach dem most wired Modell des CHIME hinsichtlich ihrer digitalen Reife befragt und die Ergebnisse mit der internationalen und US-amerikanischen Kohorte verglichen. Das most wired Modell legt, entgegen der hierzulande üblichen Modelle, einen besonderen Focus auf den Patienten.
Die Kohorte der most wired Reifegrad Messung 2020 bestand aus 2.348 Kliniken und ist damit der größte Datensatz für die digitale Reifegrademessung in Kliniken im internationalen Vergleich.
Die Ergebnisse kommen zu einem Zeitpunkt, zu dem die Digitale Performance in Deutschland nun auch aus politischer Sicht auf den Prüfstand gestellt wird. Die EU-Fördermittel, die über das KrankenhausZukunftsgesetz (KHZG) aus dem Krankenhausstrukturfonds (KHSF) anhand der Fördertatbestände § 19,1-11 bei positivem Bescheid ausgeschüttet werden, sind mit einem Nachweis der Nachhaltigkeit verknüpft. Neben strengen MUSS-Kriterien wird nun auch in Deutschland eine Reifegradbestimmung, erstmalig schon in 2021 flächendeckend und verpflichtend eingeführt.
Die Förderkriterien zeigen, dass von Seiten des Gesetzgebers ein besonderer Wert zum einen auf Datenschutz, IT-Sicherheit und Datensicherheit, aber auch die Patientenorientierung gelegt wird.
Kernaussagen nach den Kategorien der digitale Reifegrad Messung
1) Infrastruktur
Im Bereich Daten-Sicherheit, d.h. Schutz von Daten sind die Kliniken in Deutschland grundsätzlich gut aufgestellt, d.h. qualitative sind die richtigen Sicherheitsvorehrungen getroffen, zur Erzielung eines entsprechenden Niveaus fehlt es an Quantität, was der geringen finanziellen Ausstattung der Kliniken geschuldet ist. Die durch den Gesetzgeber ergriffenen Schritte in § 19,1,10 sind somit zu verstetigen und mit weiteren finanziellen Mitteln abzusichern.
2) Security
Der Datenschutz, d.h. der Schutz von Personen bezogenen Daten genießt bekanntermaßen einen sehr hohen Stellenwert in Deutschland, was sich in der Studie widerspiegelt. Die Informationssicherheit, d.h. Schutz von elektronischen Informationen ist gering ausgeprägt. Ein Grund ist die technische Prägung und die nicht gegebene Management Orientierung und somit des geringen Bewusstsein für die Unternehmensweite Notwendigkeit. Um so wichtiger ist die Etablierung von Chief Information Officern (CIOs). Unbestritten fehlen für diesen Bereich Gelder, was in den Pflegesatzverhandlungen mit den Kassen zu erreichen ist, da Betriebskosten erhöhend. Die durch den Gesetzgeber ergriffenen Schritte in § 19,1,10 sind somit zu verstetigen und mit weiteren finanziellen Mitteln abzusichern.
3) Administration / Apotheke und Beschaffungs-/Lieferketten
Die Ergebnisse in diesem Bereich zeigen auf, dass in Deutschen Kliniken die Prozesse noch nicht Abteilungs- /Bereichsübergreifend durchgängig sind, bzw. die traditionellen Silos noch nicht überbrückt werden, d.h. vom Point of Care, wo das Medikament oder das Implantat benötigt wird, bis zur Kommisionierung, Lagerhaltung, Bestellung, etc. Hier ist somit das Prozessdenken finanziell und inhaltlich zu verbessern – Stichwort vom Struktur- zum Prozesskrankenhaus. Die durch den Gesetzgeber ergriffenen Schritte in § 19,1,6 und 8 sind somit zu verstetigen und mit weiteren finanziellen Mitteln abzusichern.
4) Analytics und Data Management
Im Bereich Analytics und Data Management stehen die Deutschen Kliniken im Bereich Administration und Betriebswirtschaft gut dar. Was die Medizin und auch gerade die Einbeziehung externer Quellen anbelangt, ist noch Luft nach oben, was sich im Bereich Public Health fortsetzt.
5) Interoperabilität und Population Health
Im Bereich Interoperabilität und auch Public Health liegen die Deutschen Kliniken weit zurück. Hinsichtlich Interoperabilität werden die Deutschen Kliniken durch den Austausch verkehrsfähiger Ergebnisdaten die Lücke zu der internationalen und der US-Kohorte in naher Zukunft durch die Weiterentwicklungen der TI schließen können. Bezogen auf diskrete Einzeldaten wird es mehr Zeit und mehr finanzielle Mittel bedürfen. Bezogen auf Public Health deckt die Studie die Unzulänglichkeit der Deutschen Gesundheitssystemgestaltung, d.h. die Interaktion mit den unterschiedlichen Stakeholdern, z.B. bezogen auf Regionen auf. Das steuerfinanzierte Gesundheitssysteme, als auch Gesundheitssysteme mit einer Kostenträgerstruktur aber zusätzlichen Stakeholdern wie Accountable Care Organisationen, oder Health Maintenance Organiationen, hier Vorteile durch die Nutzung der digitalen Transformation der Modelle der Patientenversorgung haben, wird nun offensichtlich. Die durch den Gesetzgeber ergriffenen Schritte in § 19,1,1, 2, 7, 8 und 9 sind somit zu verstetigen und mit weiteren finanziellen Mitteln abzusichern.
6) Patient-Engagement
In der Patientenorientierung, oder -zentrierung sind die Deutschen Kliniken Schlusslicht. Der Aufholbedarf ist riesig, auch wenn das Patientenrechtegesetz schon lange dem Patienten seine Daten in maschinenlesbarer Form zugesichert hat. Die durch den Gesetzgeber ergriffenen Schritte in § 19,1,2, 3, 4, 5, 6 und 9 sind somit zu verstetigen und mit weiteren finanziellen Mitteln abzusichern.
7) Medizinische Qualität und Patientensicherheit
Im Bereich Medizinische Qualität und Patientensicherheit setzt sich das fort, was schon in 3) Administration / Apotheke und Beschaffungs-/Lieferketten festzustellen war, Stichwort vom Struktur- zum Prozesskrankenhaus mit all seinen Facetten was die Wichtigkeit von Prozesssicherheit und eben dieser in Behandlungsprozessmaßnahmen und schließlich Patientensicherheit anbelangt. Die Deutschen Kliniken haben auch hier einen erheblichen Aufholbedarf. Die durch den Gesetzgeber ergriffenen Schritte in § 19,1, 3, 4, 5 und 6 sind somit zu verstetigen und mit weiteren finanziellen Mitteln abzusichern.
Wo stehen wir?
1) Deutschland hat einen hohen Standard in Sachen Datenschutz und Datensicherheit. Quantitativ muss nachgelegt werden.
2) Informationssicherheit kommt zu kurz, was sicher auch dem technischen Fokus und weniger dem Management Fokus zuzuschreiben ist.
3) Die Deutschen Kliniken sind noch zu sehr Struktur-, als Prozesskrankenhaus.
4) Die intelligente Verknüpfung med. Daten zur Erreichung von Entscheidungsunterstützung ist gering.
5) Bezogen auf syntaktische und semantische Interoperabilität sind wir hinten dran, haben aber mit der TI 2.0. ein respektables Zielbild vor Augen. Davon, die Chancen der digitalen Transformation der Modelle der Patientenversorgung dahingehend zu Nutzen, dass wir die Schwächen unserer Gesundheitssystemgestaltung in Sachen Public Health überwinden, sind wir sehr weit entfernt.
6) Die Patientenorientierung ist dem Bürger im Gesetz zugesichert, aber nicht umgesetzt.
7) Prozesssicherheit und somit das A und O für Patientensicherheit ist maximal geringer ausgeprägt als notwendig, diverse Behandlungs- und Therapiemaßnahmen werden somit nicht periodengerecht geleistet.
Wo müssen wir hin?
1) Im Bereich Datensicherheit muss mehr investiert und erreicht werden.
2) Hinsichtlich der Informationssicherheit muss nicht nur mehr investiert, sondern der Management Fokus muss mehr in den Fokus, das Stichwort ist hier nicht nur die Einführung von IT-Sicherheitsbeauftragten, sondern an die Spitze von IT Bereichen muss ein CIO der das Management im Blick hat und von einem CTO (Chief Technology Officer) und z.B. einem CMIO (Chief Medical Information Officer) und einem Chief Nursing Officer (CNIO) unterstützt wird.
3) Die Deutschen Kliniken müssen sich mit Hilfe der digitalen Lösungen der Industrie vom Struktur-, zum Prozesskrankenhaus wandeln.
4) Die intelligente Verknüpfung med. Daten zur Erreichung von Entscheidungsunterstützung muss Standard werden.
5) Der Erreichung des Zielbildes der TI 2.0 muss inhaltlich und finanziell eine sehr hohe Priorität zugeordnet werden. Des weiteren hat nicht zuletzt die Pandemie massiv aufgezeigt, dass wir die Chancen der digitalen Transformation der Modelle der Patientenversorgung mit Hochdruck dahingehend Nutzen müssen, die Schwächen unserer Gesundheitssystemgestaltung in Sachen Public Health zu überwinden.
6) Die Kommunikation mit unseren Patienten muss einfacher, transparenter und effizienter im Sinne unserer Patienten werden.
7) Die Erreichung von Prozesssicherheit zur Erreichung von Patientensicherheit muss oberstes Ziel sein und muss somit finanziell incentiviert werden.
Ein Anfang ist gemacht, der Weg ist noch sehr lang! In der Finanzierung muss kontinuierlich nachgelegt werden.
Teilnehmer der Diskussion auf dem Entscheider-Event, dem Digitalisierungsgipfel der Gesundheitswirtschaft waren Dr. Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft und Geschäftsführer des Landeskrankenhauses Andernach, Dr. Josef Düllings, Präsident, VKD e.V., Hauptgeschäftsführer St. Vincenz; Dr. Axel Paeger, Vorstandsvorsitzender und Gründer, AMEOS Gruppe; Andreas Schlüter, Hauptgeschäftsführer Knappschaft-Klinken; Peter Asché, Sprecher, IuiGInitiativ-Rat, Vizepräsident VKD e.V. und Kaufmännischer Direktor / Vorstand der Uniklinik der RWTH Aachen; Prof. Dr. Jürgen Wasem, Lehrstuhl Medizin Management, Universität Duisburg-Essen; Moderation: Jürgen Zurheide, Journalist, Funk / Fernsehen / Tagespresse.
AHIME, CHIME, ENTSCHEIDERFABRIK
Die AHIME ist der Verband, der seit der Initiierung des Eco Systems ENTSCHEIDERFABRIK durch die fördernden Verbände im Kreis dieser Verbände die Interessen der CIOs vertritt. Die AHIME Academy ist der Lokalisierungspartner für die digitale Reifegrad Messung Digital Health most wired Survey für den deutschsprachigen Raum von CHiME (College of Health Information Management Executives).
Das Eco System ENTSCHEIDERFABRIK wird von 36 Verbänden, Kliniken mit über 800 Betriebstätten und über 150 Industrie-Unternehmen gefördert.
Quelle: Entscheiderfabrik
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