Die Skalierbarkeit von Quantensystemen stellt eine der zentralen Anforderungen für die Weiterentwicklung von Quantencomputern dar, da deren Überlegenheit mit zunehmender Systemgröße immer stärker zum Tragen kommt. Forschenden der TU Darmstadt ist nun ein entscheidender Schritt in diese Richtung gelungen. Die Ergebnisse haben Eingang in eine hochrangige Publikation gefunden.
Quantenprozessoren auf der Basis von zweidimensionalen Registern aus optischen Pinzetten, wie sie durch fokussierte Laserstrahlen erzeugt werden, stellen eine der aussichtsreichsten Technologien dar, mit denen sich Quantenberechnungen und -simulationen in Richtung von nutzbringenden Anwendungen entwickeln lassen. Vielfältige Einsatzmöglichkeiten, von der Medikamentenentwicklung bis zur Optimierung von Verkehrsströmen, werden davon profitieren.
Bislang konnten diese Prozessoren einige Hundert Einzel-Atom-Quantensysteme aufnehmen, wobei jedes Atom ein Quantenbit oder Qubit, als grundlegende Einheit der Quanteninformation darstellt. Um weitere Fortschritte zu erzielen, ist es erforderlich, die Anzahl der Qubits im Prozessor weiter zu erhöhen. Einem Team um Professor Gerhard Birkl von der Arbeitsgruppe „Atome - Photonen - Quanten“ vom Fachbereich Physik der TU Darmstadt ist dies nun gelungen.
In einem Forschungsartikel, der zunächst Anfang Oktober 2023 auf dem arXiv-Preprint-Server veröffentlicht wurde und jetzt nach wissenschaftlicher Begutachtung in der renommierten Fachzeitschrift OPTICA publiziert wurde, berichtet das Team von der weltweit ersten experimentellen Realisierung einer Quantenprozessorarchitektur, die mehr als 1.000 atomare Qubits in einer einzigen Ebene enthält.
„Wir sind hocherfreut, dass wir die Marke von 1.000 einzeln kontrollierbaren atomaren Qubits als erste erreicht haben, während so viele exzellente Konkurrenten uns dicht auf den Fersen sind", ordnet Birkl die Ergebnisse ein.
Die Forschenden konnten experimentell zeigen, dass der Ansatz, modernste quantenoptische Methoden und fortschrittliche mikrooptische Technologie zu kombinieren, es ermöglicht, die Grenze der zugänglichen Qubit-Zahlen deutlich zu erhöhen.
Dies gelang durch die Einführung der neuartigen Methode der „Quantenbit-Turboaufladung". Dabei wird die Begrenzung der Anzahl der einsetzbaren Qubits aufgrund der limitierten Laserleistung aufgehoben. In einem Quantenregister mit 3.000 Speicherplätzen werden 1.305 Einzel-Atom-Qubits gespeichert und zu defektfreien Zielstrukturen von bis zu 441 Qubits umarrangiert. Durch den parallelen Einsatz mehrerer Laserquellen sprengt dieses Konzept bisher als schwer überwindbar angenommene technologische Grenzen.
Für viele Anwendungsszenarien wird die Zahl von 1.000 Qubits als ein Schwellenwert angesehen, ab dem der angestrebte Effizienzvorteil von Quantencomputern erstmals demonstriert werden kann. Entsprechend intensiv wurde weltweit daran gearbeitet, diesen Schwellenwert erstmalig zu erreichen. Mit der nun publizierten Forschungsarbeit ist dies für atomare Quantensysteme der Arbeitsgruppe um Professor Birkl weltweit zum ersten Mal gelungen. Wie in der Publikation ebenfalls dargelegt, wird eine weitere Erhöhung der Zahl der Laserquellen bereits in wenigen Jahren den Zugang zu Qubit-Zahlen von 10.000 und mehr ermöglichen.
Lars Pause, Lukas Sturm, Marcel Mittenbühler, Stephan Amann, Tilman Preuschoff, Dominik Schäffner, Malte Schlosser und Gerhard Birkl: „Supercharged two-dimensional tweezer array with more than 1000 atomic qubits“, in Optica Vol. 11, Issue 2, pp. 222-226 (2024)
DOI: https://doi.org/10.1364/OPTICA.513551
Quelle: Technische Universität Darmstadt
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