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Dass die KI in der Radiologie zunehmend Fuß Welche Limitationen sehen Sie aktuell noch beim
fasst, wird allgemein und völlig zu Recht als Er- Einsatz der KI in der Radiologie?
folg und wichtiger Schritt in die Zukunft bewertet.
Schließlich soll – ja muss – das Gesundheitswesen Die größte Limitation, die ich aktuell sehe, ist die
digitaler werden, um künftige Herausforderungen fehlende studienbasierte Evidenz für den Patienten-
meistern zu können. Und trotzdem muss die Frage benefit. Und mit Patientenbenefit meine ich: Überle-
erlaubt sein: Sind unsere Erwartungen an die KI ben und Lebensqualität. In der Medizin sind das die
realistisch? Ist sie wirklich der „best buddy“ der wichtigsten Faktoren. Sekundäre Faktoren sind Zeit-
Radiologie oder etwa nur ein „false friend“? und Kostenersparnis und auch hier fehlen uns vali-
Radiologie meets KI de multizentrische Ergebnisse, die den Ansprüchen
an die wissenschaftliche Forschung gerecht werden,
Um einer Antwort auf die Spur zu kommen, spra-
Wird alles chen wir mit Dr. Piotr Radojewski. Er arbeitet am lassung kennen. Bestehende Publikationen sind oft
wie wir sie zum Beispiel aus der Medikamentenzu-
Universitätsinstitut für Diagnostische und Interven-
unizentrisch und leider nicht multinational.
tionelle Neuroradiologie des Inselspitals Bern. Au-
ßerdem ist er Teil des Center for Artificial Intelligen-
ce in Medicine (CAIM), einer Forschungs-, Lehr- und Aber die heute im Einsatz befindlichen KI-Lö-
sungen erzeugen doch Mehrwerte, sonst würden
einfacher? zur Versorgungsoptimierung einsetzt. Als Antwort darauf lohnt sich ein detaillierter Blick
Translationsplattform an der Universität Bern, die KI
Radiologinnen und Radiologen sie doch nicht ein-
setzen?
Wo stehen wir aktuell beim Einsatz der KI in der
Radiologie? auf die Evidenz und deren Einteilung in verschie-
dene Grade: Der niedrigste Grad ist die technische
Die Radiologie ist Vorreiter beim Einsatz der KI, nach Evidenz, die lediglich besagt, dass eine KI funktio-
wie vor. Auch sind die Lösungen für die Radiologie niert. Auf der zweiten Stufe steht die diagnostische
am weitesten fortgeschritten. Bei den Erkrankungen Genauigkeit, auf der dritten die Fähigkeit des „diag-
bzw. den Organsystemen, mit denen sich die meis- nostischen Denkens“, auf der vierten die therapeuti-
ten KI-Anwendungen befassen, sehen wir einen sche Evidenz. Stufe fünf und sechs schließlich bilden
klaren Trend bei der Kopf- und Thoraxdiagnostik, die primären Ziele ab, nämlich das Outcome für die
sowohl für Röntgen als auch für CT und MRT. Ein Patienten und schließlich die Effekte auf die Gesell-
weiterer wichtiger Bereich ist die Mammadiagnostik, schaft. Die meisten Studien gibt es für die zweite
in der auch die Evidenz am weitesten fortgeschrit- Stufe, also die diagnostische Effizienz, darüber hi-
ten ist. Funktional „kümmert“ sich die KI aktuell vor naus wird es eher dünn. Das liegt auch daran, dass
allem um Quantifizierungen, also zum Beispiel das die Anforderungen seitens der Behörden das bisher
Zählen von Läsionen, und die Detektion von Verän- auch nicht verlangt haben – was sich aktuell aller-
derungen. Nur wenige KI-Lösungen fokussieren sich dings ändert. Zum einen, weil die Gesetzgebung
bisher darauf, dem Arzt eine Diagnose vorzuschla- angepasst wird. Zum anderen, weil Kliniken und
gen. Vereinzelt kommen solche Systeme als eine Art Spitäler das auch verlangen.
Background-Triage zum Einsatz, die im Hintergrund
Bilder zum Beispiel auf Frakturen analysieren und
entsprechende Meldungen generieren.
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