Die Strukturreform verträgt keinen Aufschub. Der ungesteuerte Strukturwandel nimmt Fahrt auf, während die Regierungskoalition noch nach dem richtigen Weg sucht. Bürgerinnen und Bürger zahlen den Preis. Die Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser e.V. (AKG-Kliniken) appelliert an die Bundesregierung und nennt Umsetzungsschritte für eine erfolgreiche Reformagenda.
Die deutschen Krankenhäuser stehen aufgrund des Fachkräftemangels, rückläufiger Fallzahlen und den allgemeinen Preissteigerungen unter massivem wirtschaftlichem Druck. Mit ersten politischen Ergebnissen aus der Arbeit der Regierungskommission zur Weiterentwicklung der Krankenhausstrukturen ist frühestens Ende des Jahres zu rechnen. Der ungesteuerte Strukturwandel nimmt also Fahrt auf, während die Regierungskoalition noch nach dem richtigen Weg sucht. Die Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser e.V. (AKG-Kliniken) appelliert an die Bundesregierung so schnell wie möglich den Schulterschluss mit den Bundesländern zu suchen und schrittweise in die Reformagenda einzusteigen.
„Uns läuft die Zeit davon: Wir brauchen sehr schnell einen zwischen Bund und Ländern abgestimmten und gesteuerten Prozess zur Weiterentwicklung unserer Versorgungsstrukturen. Ohne weitere Kompensationszahlungen wird sonst der ungesteuerte Strukturwandel sehr schnell zu Versorgungsdefiziten führen. So oder so zahlen die Bürgerinnen und Bürger den Preis dafür: Entweder als Steuerzahler durch weitere Rettungsschirme oder als Patienten durch eine sinkende Versorgungsqualität“ bringt Dr. Matthias Bracht, Vorstandsvorsitzender der AKG-Kliniken, die aktuelle Gemengelage auf den Punkt. Während zahlreiche Bundesländer mit Reformen der eigenen Krankenhausgesetze vorangehen, plant die Bundesregierung auf Basis der Ergebnisse aus der Regierungskommission zunächst einen Bund-Länder-Pakt und eine schrittweise Einbindung der Selbstverwaltungspartner. „Wir sehen derzeit in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen gute Ansätze für eine Neuordnung der Krankenhauslandschaft. Leider fehlen eine systematische Abstimmung und Koordination der Reformprozesse. Eine Strukturreform in einzelnen Bundesländern ohne eine Finanzierungsreform auf der Bundesebene ist in jedem Falle zum Scheitern verurteilt“, zeigt sich Nils Dehne, AKG-Geschäftsführer, besorgt.
Gefahr einer verschleppten Strukturreform
Die wirtschaftliche Lage vieler Krankenhäuser verschlechtert sich in der Zwischenzeit deutlich. Auch wenn größere Verwerfungen durch die Rettungsschirme in der Pandemie verhindert werden konnten, lässt sich zeigen, dass insbesondere Großkrankenhäuser mit einer starken Rolle in der Notfallversorgung und einem komplexen Leistungsspektrum in den vergangenen Jahren besonders belastet waren. „Die große Gefahr einer verschleppten Strukturreform in der Krankenhauslandschaft sind willkürliche Lücken und Verschiebungen in der Versorgung, die einer qualitätsorientierten Strukturentwicklung entgegenstehen“, betont Bracht den Handlungsdruck.
Vor gut einem Jahr haben die AKG-Kliniken ihr Stufenmodell vorgestellt. Die Vorschläge zu bundeseinheitlichen Versorgungsstufen und einer fallunabhängigen Strukturvergütung haben den Einzug in den Koalitionsvertrag der amtierenden Ampel-Koalition geschafft. Eine kurzfristige Einleitung der Reformagenda durch Festlegung von Versorgungsstufen und der Verankerung von fallunabhängigen Pauschalen in der Krankenhausvergütung erfordert nur den politischen Willen und etwas Mut. Mit der Botschaft „Gemeinsam Gesund Versorgen“ stellen die AKG-Kliniken nun konkrete Umsetzungsschritte für eine zukunftsfähige und nachhaltige Krankenhauslandschaft vor. Hierfür wendet sich der Verband mit einem Video an die verantwortlichen PolitikerInnen: https://www.akg-kliniken.de/das-akg-stufenmodell/
Umsetzungsschritte für erfolgreiche Reform
„Eine wirkungsvolle Strukturreform gelingt nur im gemeinsamen Schulterschluss von Bund und Ländern“, appelliert Dehne an die beteiligten Akteure und nennt folgende zentralen Umsetzungsschritte für eine erfolgreiche Reformagenda:
- Beauftragung des G-BA zur Entwicklung eines Systems aus drei aufeinander aufbauenden Versorgungsstufen für die Einteilung der Krankenhäuser anhand der Anzahl von Fachabteilungen, der Rolle in der Notfallversorgung sowie der Erreichbarkeit z.B. in §136c SGB V.
- Konkretisierung des Arbeitsauftrages an den G-BA (Gemeinsame Bundesausschuss, das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen) zur Verankerung einer Kooperationsverpflichtung zwischen Krankenhäusern verschiedener Versorgungsstufen im Rahmen der Notfallversorgung, der Qualitätssicherung und ggf. weiterer Aufgabenbereiche.
- Vergabe eines Auftrages zur Entwicklung eines wissenschaftlichen Modells für eine bundeseinheitliche Bedarfsermittlung je Versorgungsstufe anhand von Bevölkerungszahlen, Krankheitslast und Erreichbarkeit.
- Verankerung einer nach Versorgungsstufen differenzierten Investitionszuschussquote aus dem Bundeshaushalt im KHG oder Aufstockung und Verlängerung des Krankenhausstrukturfonds (§12 KHG) zur Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen an die Versorgungsstufen gemäß G-BA im Rahmen der ermittelten Bedarfe.
- Einberufung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Festlegung gemeinsamer Planungsgrundsätze auf Basis von Leistungsgruppen und Leistungsbereichen und im Rahmen der neuen Versorgungsstufen und Bedarfsermittlung.
- Vergabe eines Entwicklungsauftrages für ein wissenschaftliches Modells zur Kalkulation von Strukturpauschalen anhand der drei Versorgungsstufen.
- Erweiterung des bestehenden Auftrages nach § 137k SGB V (Personalbemessung in der Pflege im Krankenhaus) um eine Methode zur aufwandsgerechten Vergütung von pflegerischen Leistungen entsprechend der ermittelten Bedarfe.
- Verankerung von fallunabhängigen Strukturpauschalen im KHEntgG (i.V.m. §17b KHG) je nach Versorgungsstufe unter Absenkung der entsprechenden Fallvergütung im DRG-System.
Die AKG-Kliniken
Die AKG-Kliniken sind ein Interessenverbund von 26 Großkrankenhäusern und Krankenhausverbünden aus dem gesamten Bundesgebiet mit einem Umsatz von über 10 Milliarden Euro. Sie repräsentieren derzeit rund 44.300 Betten und vertreten damit über 9,0 % der gesamtdeutschen Krankenhausversorgung. Gut 1,8 Millionen Patientinnen und Patienten im Jahr werden in den Häusern der AKG-Kliniken von mehr als 125.000 Mitarbeitenden vollstationär behandelt. Alle Mitglieder sind Maximalversorger in kommunaler Trägerschaft und decken damit das gesamte medizinische Spektrum ab. Als kommunale Krankenhäuser erbringen die Mitglieder der AKG-Kliniken eine wichtige Leistung für die Versorgung der gesamten Bevölkerung, von der Grund- bis zur Maximalversorgung. Damit leisten sie einen wichtigen gesundheitspolitischen Beitrag. Die Gewinne werden reinvestiert und nicht an Investoren abgeführt. So bleiben die Gelder den Regionen erhalten.
www.akg-kliniken.de
Foto (v.li.) Dr. Matthias Bracht, Vorstandsvorsitzender der AKG-Kliniken und Nils Dehne, AKG-Geschäftsführer