Gesundheitsdaten, digitalisiert, international standardisiert, rechtssicher und ethisch verantwortungsvoll angewendet: Das kann nach Auffassung der Experten im Fachgespräch des Unterausschusses Globale Gesundheit zum Thema „Digital Health Governance“ am Montagabend, 11. März 2024, den Zugang für alle zu Basisleistungen der Gesundheitsversorgung weltweit verbessern helfen.
Wie die Digitalisierung im Gesundheitswesen auf globaler Ebene einheitlich reguliert werden kann, so dass alle Länder davon profitieren, und welche Rolle die Weltgesundheitsorganisation dabei spielt, darüber tauschten sich die Mitglieder des Gremiums mit den geladenen Sachverständigen im „WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence“ der Weltgesundheitsorganisation in Berlin aus.
Parlamentarier sollen Rechtsrahmen setzen
Deutschland solle die Initiative der WHO und der G20-Länder, „Global Initiative on Digital Health“, politisch mit vorantreiben, waren sich die Sachverständigen einig, hierzulande gebe es Spitzenforschung zu dem Thema, jedoch große Vorbehalte beim Datenschutz. Europa habe mit seinen Gesundheitssystemen und deren rechtlicher Regulierung weltweit eine Vorreiterrolle inne.
Den Parlamentariern komme die Aufgabe zu, einen allgemein gehaltenen Rechtsrahmen zu setzen, erklärte Dr. Christoph Benn vom Joep-Lange Institute for Global Health Diplomacy. Die internationalen Fachorganisationen würden detaillierte medizinische Standards für die spezifischen Anwendungen formulieren, deren Einhaltung schließlich von den Behörden der einzelnen Ländern laufend überwacht werden müsse.
Diese drastischen regulatorischen Maßnahmen seien nötig, um die vielfältigen von der Industrie entwickelten Anwendungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) in Bahnen zu lenken, die dazu führten, den Gesundheitsschutz für die Bürgerinnen und Bürger zu verbessern.
Die Basis für eine globale Partnerschaft
Rund um die WHO, im VN-System und darüber hinaus, habe sich mittlerweile ein Kreis relevanter Player, darunter parlamentarische Akteure und zivilgesellschaftliche Organisationen, herauskristallisiert, skizzierte Benn die entstehende Architektur an Institutionen. „Das ist die Basis für die globale Partnerschaft“, die darauf ziele, die Gesundheitsversorgung mittels KI zu verbessern. Durch das Tracking von Patienten etwa könne deren Behandlung verbessert werden, die Telemedizin verbinde Allgemeinmediziner und Fachärzte.
Dr. Nils Körber vom Robert-Koch-Institut gab eine Vorstellung davon, von welchen Daten und Anwendungen die Rede ist. Es betreffe sämtliche Felder der Gesundheitsversorgung und reiche von Basisdaten der physischen und psychischen Verfassung von Patienten, der Diagnostik und Therapie über Labor- und Abrechnungsdaten, die erfasst würden, bis hin zum individuellen genetischen Code.
„Die große Baustelle“ dabei sei, „die Daten international austauschbar zu machen. Man braucht Standardisierungen.“ Deutschland habe ein gutes Gesundheitssystem, in dem auch viele Daten erhoben werden. Aber die lägen zumeist an einem Ort. Dabei gelte es die Risiken des Missbrauchs im Auge zu behalten und zu verhindern, wenn beispielsweise der Datenschutz verletzt werde, indem Personengruppen aufgrund ihrer Gesundheitsdaten diskriminiert würden.
„Moralisch handeln könne nur der Mensch“
Der Nutzen des Einsatzes von KI überwiege jedoch die Nachteile und mögliche Schwachstellen. Der Einsatz von KI könne dazu führen, neue Wirkstoffe zu entwickeln, Leben zu retten oder überhaupt Zugang zu diagnostischen Verfahren, zur Früherkennung, Prävention und Therapie zu schaffen und schließlich das medizinische Personal zu entlasten.
Bei medizinischen Anwendungen von KI sei eine besondere moralische Verantwortung an die diese Systeme einsetzenden Fachkräfte anzulegen, mahnte Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl, Mitglied im Deutschen Ethikrat. „Oberstes ethisches Kriterium eines verantwortlichen Einsatzes ist, dass der Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Anwender aufs Ganze gesehen qualitativ erweitert oder wenigstens nicht substanziell beeinträchtigt wird.“
Verringere sich der Handlungs- und Entscheidungsspielraum hingegen entscheidend oder werde die handelnde Person durch ein KI-System letztendlich ersetzt, „so ist dessen Einsatz ethisch nicht zu rechtfertigen“. Denn moralisch verantwortlich handeln könne nur der Mensch.
Risiken der Diskriminierung durch KI-Systeme
Egal in welchem Ausmaß eine Delegierung oder teilweise Ersetzung erfolge, etwa in engerem Sinne unterstützend, im Rahmen einer Diagnose oder Therapie, in einem mittleren Ausmaß zum Beispiel durch einen KI-gesteuerten OP-Roboter oder aber sehr weitreichend, beispielsweise, wenn ein Patient für eine Diagnose lediglich mit einer KI kommuniziere: Die letztgültige Entscheidung müsse immer von einem Arzt getroffen werden.
Lob-Hüdepohl wies auf die Risiken der Diskriminierung durch KI-Systeme hin, die bereits damit begönnen, wenn die dadurch erzielten Benefits nicht allen Patienten gleichermaßen zugute kämen. Das gebiete aber das allen zustehende Menschenrecht auf Gesundheit. Zudem könne der Solidaritätsgedanke der Krankenversicherung ins Wanken geraten, wenn einzelne aufgrund ihres guten Gesundheitszustands einen günstigeren Tarif geltend machen könnten.
Problematisch sei zudem ein schleichendes „deskilling“, also „ein Verlust eigenständiger theoretischer wie haptisch-praktischer Expertise durch Gewöhnung an die KI-Unterstützung“, beim medizinischen Fachpersonal sowie die möglicherweise zunehmende „blinde Übernahme der KI-generierten Entscheidungsvorschläge“ durch Ärztinnen und Ärzte. Der gesamte Bereich der KI, der der Logik von Big Data, also dem Sammeln und Auswerten möglichst großer Datenmengen, folge, stehe in einem dauernden Spannungsverhältnis zum Datenschutz, für den das Prinzip Datensparsamkeit gelte.
Quelle: Deutscher Bundestag
Symbolbild: Ashwin Vaswani (Unsplash)