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Das hat also einen Nutzen für den
Einzelnen bzw. die Einzelne?
Prof. Ganslandt: Ja, wir wollen Patientinnen und Patienten
stärker in die Projekte involvieren.
Bei anderen Anwendungsfällen wie InterPOLAR steht die
Verbesserung der Gesundheitsversorgung im Vordergrund, in
diesem Fall die Vermeidung von Medikationsfehlern. Hier
werden die Daten von Patient/-innen untersucht, die viele
Medikamente gleichzeitig einnehmen. Wir wollen herausfin-
den, bei welchen Personen das höchste Risiko für das Auftreten
unerwünschter Wechselwirkungen besteht und sich daher im
Krankenhaus ein Stationsapotheker bzw. eine Stationsapothe-
kerin die Verschreibungen genau ansehen sollte.
Dafür müssen die Daten verschiedener Kliniken ver-
einheitlicht sein. Wie steht es darum?
Prof. Ganslandt: Hier zeigt sich die Leistung der letzten För-
derphase: Am Ausgangspunkt vor fünf Jahren saß jede der
einzelnen Unikliniken – bildlich gesprochen – auf einem riesi-
gen Topf von Daten. Viele davon werden dauerhaft gespeichert,
etwa aus rechtlichen Gründen. Die meisten Daten wurden in
der Vergangenheit jedoch nicht nachgenutzt.
Uns ist es gelungen, quer über alle 34 Unikliniken in Deutsch-
land eine aktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu
etablieren und uns auf Formate und Datenstrukturen zu
einigen, die auch international anschlussfähig sind. Diese
vereinheitlichten Daten stehen jetzt in der Breite erstmals in Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch, Lehrstuhl für
Medizinische Informatik, Uniklinikum Erlangen
Deutschland für die Forschung zur Verfügung. (Bildquelle Uniklinikum Erlangen/Michael Rabenstein)
Da kommen wir gleich zu einer weiteren Herausforderung, zu
den Risiken, die die Verfügbarkeit einer derart großen Daten-
menge birgt, zum Beispiel eine missbräuchliche Nutzung. ist unmittelbar dem Klinikumsvorstand zugeordnet, das DIZ
Frühzeitig haben wir uns entschieden, dass die Daten an den steht unter Leitung der IT-Abteilung.
einzelnen Kliniken verbleiben. Es gibt also keinen „Riesenda-
tentopf “, in den alle ihre Daten reinkopieren. Jede Uniklinik Die Patientinnen und Patienten werden in den jeweili-
lässt ihre Daten hinter ihren Mauern, ihren Firewalls. gen Kliniken gefragt, ob sie der Nutzung ihrer Daten
zustimmen?
In den Datenintegrationszentren, kurz DIZ? Prof. Prokosch: Ja, wir bitten die Patientinnen und Patienten
Prof. Ganslandt: Ja, in den Datenintegrationszentren. Die im Rahmen der Aufnahmeprozesse oder kurz danach, eine
Daten sind dort genauso gut geschützt wie in den normalen Einwilligung zu unterschreiben. Natürlich ist diese Einwil-
Informationssystemen der Krankenhäuser. Es gibt verschie- ligung freiwillig. Im Unterschied zur Einwilligung für die
dene Maßnahmen, um diesen Schutz weiter zu verbessern. Nutzung der Daten bei Klinischen Studien, bei denen die
Eine davon ist die Pseudonymisierung: Die Daten können Forschenden genau beschreiben können, wofür sie die Daten
nicht mehr ohne Weiteres Personen zugeordnet werden. An nutzen, ist es bei der Erhebung von Krankenhaus-Routine-
den Unikliniken sind hierzu Treuhandstellen aufgebaut wor- daten anfangs noch nicht klar, für welche Forschungsfragen
den, die die Pseudonymisierung vornehmen. Nur sie können und Projekte die Daten am Ende genutzt werden. Die Einwil-
die Daten wieder zuordnen. Die DIZ müssen immer die Treu- ligung für Klinische Studien wird deshalb Informed Consent
handstellen fragen, falls eine Zuordnung nötig ist. genannt, die breite Zustimmung für die Datennutzung zu
Forschungszwecken Broad Consent.
Also sind beide Systeme zur Sicherheit der Patienten- Eine der großen Leistungen der MII war, einen Mustertext
daten tatsächlich voneinander getrennt? zu entwickeln, der einen solchen Broad Consent als Patien-
Prof. Prokosch: Sie sind nicht nur technisch voneinander teninformation gut und laienverständlich einschließlich der
getrennt, sondern auch organisatorisch. Die Treuhandstelle zugehörigen Einwilligungsformulare beschreibt. Wir mussten
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