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den Broad Consent deutschlandweit übergreifend mit allen
             vier Konsortien der MII, mit allen 16 Landesdatenschützern,
             mit den Bundesdatenschützern und mit dem Arbeitskreis der
             Deutschen Ethikkommissionen abstimmen. Das war ein unge-
             fähr 2,5 Jahre dauernder Prozess.

           Ein Patient bzw. eine Patientin kann der Datennutzung
           auch in Teilen zustimmen?
             Prof. Prokosch: Richtig. Es gibt vier sogenannte Module in der
             Einwilligungserklärung. Die Patientinnen und Patienten kön-
             nen hier wählen, welche Daten von ihnen für die Forschung
             genutzt werden dürfen:
             In Modul 1 können sie ihre Einwilligung für die Verwendung
             der Daten geben, die während ihres Krankenhausaufenthalts
             erhoben werden.
             Mit Modul 2 können sie die Zustimmung erteilen, dass Biopro-
             ben, zum Beispiel Urin oder Gewebe, die bei Untersuchungen
             entnommen werden, ebenfalls für zukünftige Forschungspro-
             jekte verwendet werden dürfen.
             Modul 3 deckt die Nutzung der Daten ab, die außerhalb von
             ambulanten und stationären Aufenthalten im Uniklinikum
             erhoben werden, zum Beispiel in anderen Krankenhäusern
             und insbesondere in ärztlichen Praxen. Denn diese Informatio-
             nen fehlen uns im Verlauf der Patientengeschichte.
             Im Modul 4 fragen wir die Patientinnen und Patienten, ob sie   Prof. Dr. Thomas Ganslandt, Lehrstuhl für Medizinische
             einverstanden sind, für neue Forschungsprojekte wieder kon-  Informatik, Uniklinikum Erlangen
             taktiert zu werden.                            (Bildquelle 2019, Daniel Schreiber)
             Durch die Datenerhebung zu Forschungszwecken lassen sich
             auch Patient/-innen herausfiltern, die für die Teilnahme an
             einer klinischen Studie infrage kommen. Damit entsteht für  Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an der MII?
             diesen Personenkreis ein praktischer Nutzen.     Prof. Prokosch: Es handelt sich um eine langfristig ange-
                                                              legte Maßnahme des BMBF. Wir erleben erstmalig, dass
             Prof. Prokosch: Ganz genau. Anhand der Daten und einem   alle 34 deutsche Universitätskliniken in diesem Bereich sehr
             automatisierten Abgleich, der die Ein- und Ausschlusskriterien   eng zusammenarbeiten. Die übergreifende Nutzung und
             einer klinischen Studie umfasst, können wir feststellen, welche   Harmonisierung der Daten, der Broad Consent und das For-
             Patientinnen oder Patienten für eine Teilnahme infrage kom-  schungsportal – all das ist erst durch die gemeinsame Arbeit in
             men und sie anfragen, ob sie teilnehmen wollen. Durch die   den vergangenen fünf Jahren entstanden. Das ist für Deutsch-
             Automatisierung werden auch Personen in die Anfrage einge-  land ein absolutes Novum. Wir hier in Erlangen können unter
             schlossen, die ansonsten womöglich übersehen und nicht über   anderem stolz darauf sein, dass wir die Entwicklung des For-
             die jeweilige Studie informiert worden wären.    schungsdatenportals vorwärts getrieben haben und weiterhin
             Wie können Forschende bei den riesigen Datenmengen nach   koordinieren. Und dass wir an sieben der insgesamt elf nun
             bestimmten Parametern suchen?                    entwickelten Anwendungsfälle beteiligt sind.


           Prof. Prokosch: Dafür haben wir das sogenannte     Prof. Ganslandt: Wir schaffen Grundlagen dafür, alte Denk-
           Forschungsdatenportal für Gesundheit entwickelt.   weisen und alte Arbeitsmuster aufzubrechen. So trägt die MII
           Die Entwicklung davon ist von Erlangen aus mit koor-  auch zu einer digitalen Transformation des Gesundheitswe-
           diniert worden und wird nun ausgebaut.             sens bei. Durch die Harmonisierung zwischen den Standorten
             Forschende können über dieses Portal den Zugang zu Daten   und dadurch, dass die Daten strukturiert untereinander geteilt
             und Bioproben beantragen. Patientinnen und Patienten   und damit austauschbar werden, schaffen wir die Grundlage,
             wiederum erhalten hier einen Überblick über die laufenden   die Digitalisierung wirklich zu nutzen.
             Forschungsprojekte.
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