„Wenn man den Medien-Berichten und Aussagen der Berater folgt, dann sind Krankenhäuser überwiegend nicht digitalisiert und was die Datensicherheit angeht ohnehin jenseits von Gut und Böse.“ Für Michael Thoss, IT-Leiter Klinikum Hochrhein, Autor und freier Berater, Mitglied im BV KH-IT, es ist Zeit, im Health-IT-Talk einmal „denkanstößig“ über die Realität der Informationstechnik zu reden. Klar ist: Durch erhebliche Hemmschwellen stehen kleinere Krankenhäuser, das Management und der IT-Leiter am digitalen Abgrund.
In den Medien wird ständig das Thema "Digitalisierung" im Gesundheitswesen der Krankenhäuser thematisiert als würde in den deutschen Kliniken die Bronzezeit gerade ausklingen und immerhin die Dampfmaschine 2.0 die Ablösung darstellen. Ein Wunder, dass die stationäre medizinische Versorgung überhaupt noch funktioniert und erstaunlich, dass mehr Behörden von Cyber-Vorfällen betroffen sind als Krankenhäuser.
Referent Michael Thoss überlegte: Was ist eigentlich Krankenhaus- IT, welche Komponenten müssen wir betrachten, wenn wir über "Digitalisierung" reden? Was versteckt sich insgesamt an Technologien und Aufgaben hinter solch vermeintlich simplen Begriffen und wofür müssen wirtschaftliche Mittel in der Realität primär aufgewendet werden? Viel wichtiger aber: „Woran hängt die vermeintlich nicht vorankommende Digitalisierung wirklich
In den klinischen Fachabteilungen eines Krankenhauses gibt es kaum noch Prozesse, die nicht direkt oder indirekt von IT-Systemen unterstützt werden. Anwenderzufriedenheit, also meist die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit der klinischen Applikationen, stellt ein wesentliches Qualitätskriterium einer professionellen Krankenhaus-IT dar. Sie ist zugleich essentiell für das Betriebsklima und im Endeffekt entscheidend für die möglichst optimale Patientenversorgung sowie Erlössicherung im Krankenhaus. Im Vortrag ging Michael Thoss auf die aktuelle Situation und Lage der Grundversorger sowie die bestimmenden Faktoren und Rahmenbedingungen der "Digitalisierung" für kleine Krankenhäuser ein. Dabei eröffnete er den über 40 Health IT Talk-Teilnehmern die Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und zu verstehen, für welche komplexe Systemlandschaft die Informationstechnik des Krankenhauses im Jahr 2020 steht und was sich daraus an Aufgaben ableitet. Das Bild erinnert an den Augiasstall: Föderale Politik hemmt den Strukturwandel. Krankenhäuser sind unterfinanziert. Viele Krankenhäuser sind digital nicht vorbereitet. Sie leben mit veralteten ITK-Strukturen. Personal ohne IT-Kenntnissen, geringer Wertschätzung der Digitalisierung oder auch einem zähen Festhalten an gewohnten Betriebsabläufen.
Stichworte von Referent Thoss waren weiterhin: Mangelverwaltung, Budgetproblematik, aber besonders die Konfrontation der Beteiligten aus Verwaltung, Medizin und Pflege mit der IT. Die absurde Lage zeigte sich in vielerlei Beispielen. Eines davon ist die CheckIT-Liste des bvitg und des Marburger Bundes. Klinischen Anwendern ssoll eine handhabbare strukturierte Checkliste zur prozessorientierten Nutzenrealisierung aus eHealth Lösungen im klinischen Alltag zur Verfügung stehen. Ein weiteres Ziel ist der Kompetenzerwerb auf Seiten der Anwender in der Bewertung des Nutzenpotentials von IT im KH. Bei diesem IT-Benchmarking für die Gesundheitsversor gung waren von 48 Pflichtpunkten im Schnitt jedoch nur 4 Kriterien erfüllt.
Michael Thoss brachte es auf den Punkt: „IT macht eine schlechte Organisation nicht besser, sondern lediglich teurer. Wer ein IT-Projekt beginnt, sollte im Vorfeld immer überlegen, welche organisatorischen Änderungen neue Technologien mit sich bringen oder begünstigen. Man muss das ganzheitlich betrachten und beiden Teilen des Projektes genauso viel Aufmerksamkeit widmen.“
Die digitale Transformation stellt zwangsläufig an verschiedenen Punkten der Entwicklung Ansprüche an die Unternehmensorganisation. Sie betreffen sowohl Aufbau als auch Ablauf. Wesentlich bedeutsamer sind jedoch die Rahmenbedingungen und Auswirkungen auf die Finanzierung von Dienstleistungen der IT. Der genaue Blick auf Gesetze und Finanzierung offenbart: Es sind zwei getrennte paar Schuhe. Synergien ist dabei Fehlanzeige, sie streben in ihren Zielen sogar auseinander. In der Schlussfolgerung lässt sich sehen: Gewollt ist, dass es weniger Krankenhäuser, jedoch größere Einheiten werden. Die kleinen Häuser sollen offenbar ausgehungert werden.Blickt man dazu durch die Hintertür mit dem Kennzeichen „IK Nummer“, zeigt sich eine „kalte Strukturbereinigung“. Nicht alle betroffenen Kliniken können sich auf Grund der Rahmenbedingungen aus eigener Kraft erholen. Referent Michael Thoss listete bei eHealth und der Digitalisierung brisante Hemmschwellen auf, die für den regionalen Grundversorger und sein Management nicht leicht zu überwinden sind. Im Mittelpunkt stehen Gesetzgebung, Finanzierung und auch Technologie – alle mehr oder weniger problematisch. Der regionale Grundversorger sieht in den digitalen Abgrund. Im Druckpunkt befindet sich dabei der IT-Leiter. Welche Perspektive hat er für sich? „Wenn der Geschäftsführer digitale Geschäftsmodelle verfolgt, kann es gut aussehen – andernfalls schlecht.“
Referent Michael Thoss, IT-Leiter Klinikum Hochrhein, Autor und freier Berater, Mitglied im BV KH-IT