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Interoperabilität und etc.), die anwendergerechte Bereitstellung von klinischen Infor-
Interoperabilitätsplattformen mationen für Patientenportale und die Kommunikation mit
Technische, syntaktische, semantische und serviceorientierte Zu- bzw. Einweisern (Zuweiserportale) ist eine IOP als zent-
Interoperabilität sind eine Grundvoraussetzung für die Kom- rale Komponente einer modernen IT-Infrastruktur künftig eine
munikation zwischen IT-Systemen und die sachgerechte Inter- unabdingbare Voraussetzung.
pretation der kommunizierten Daten und Informationen. Sie Seitens der Architektur sollte die IOP serviceorientiert sein
sind damit eine unabdingbare Notwendigkeit für die digitale und auf einem Enterprise Service Bus (ESB) beruhen. Der Vor-
Transformation des Gesundheitswesens (Steyer 2010). Wenn- teil einer serviceorientierten Architektur (SOA) besteht darin,
gleich durch die Aktivitäten von HL7 und IHE Deutschland für die Informationsflüsse der gekoppelten IT-Systeme wieder-
viel erreicht wurde, gibt es erst seit Ende 2021 mit dem Interop verwendbare Services modellieren und kombinieren zu können,
Council ein zentrales Forum zur Koordinierung der Interopera- um nicht nur eine Datenintegration, sondern auch eine Inte-
bilitätsaktivitäten. Die US-Regierung hatte das Problem bereits gration von Behandlungs- und Ablaufprozessen zu realisieren.
2004 erkannt und mit der Gründung des Office of the National Unterstützt wird die Enterprise Service Bus - Technologie durch
Coordinator for Health Information Technology (ONC) die wiederverwendbare technologieunabhängige, sprachneut-
Koordinierung zu Standards und Interoperabilität dem ONC rale Komponenten im Rahmen der sog. Service Component
übertragen, das mit der Reference Edition: 2023 Interoperabi- Architecture (SCA), da diese relativ problemlos Komposition
lity Standards Advisory (ONC 2023) dafür detaillierte Forde- und Deployment von neuen und bestehenden Servicekompo-
rungen bzw. Empfehlungen vorgibt. nenten erlaubt. Gartner geht davon aus, dass in den USA 2025
Interoperabilitätsplattformen (IOP’s) haben sich gegen- bereits 20 % aller Patienten, Kostenträger und Leistungserbrin-
über den Kommunikationsservern der 90er und 2000er Jahre, ger über derartige digitale Plattformen kommunizieren werden
damals auch als HL7-Server oder Integration Engine bezeich- (Singh et al. 2021). Für weitergehende Informationen wird auf
net (Steyer 2013), in ihrer Zweckorientierung und Funktio- Spinner und Henkel (2022), die Deloitte Studie (2021) sowie
nalität stark verändert. Sie verbessern nicht nur die Interope- Dehne und Henkel (2022) verwiesen.
rabilität, sie ermöglichen auch bessere Servicekonzepte und
sorgen für eine höhere Systemsicherheit. Die IT-Infrastruktur Vernetzung zur patientenzentrierten
gewinnt mit IOP’s an Funktionalität, Transparenz und Ska- Versorgung
lierbarkeit. Durch ihre Konfigurierbarkeit sind IOP’s in der Informationssysteme für den Paradigmenwechsel von der
Lage, unterschiedliches Eventverhalten der IT-Systeme sowie einrichtungs- und fallbezogenen zur patientenzentrierten
unterschiedliche Datenformate und Datenmodelle zu harmoni- Gesundheitsversorgung stehen schon lange national (Steyer
sieren und anwendungsfall-übergreifend zu definieren. Durch 2015, Steyer 2017) als auch international (Mitchell et al. 2019,
die Einbindung eines Terminologiedienstes (z.B. Terminolo- Kwame & Petrucka 2021) im Fokus künftiger IT-Strategien,
gieserver) garantiert die IOP außerdem einheitliche Benen- insbesondere hinsichtlich von Patient Engagement/Empower-
nungen und Kodierungen der Informationen (Terminologien, ment (Kotun 2023) und personalisierter Medizin (Byers 2023).
Ontologien, Klassifikationen). Damit wird eine weitgehende Um die Vernetzung zwischen Gesundheitseinrichtungen und
Unabhängigkeit von der Struktur der eingesetzten Systeme hin- über Sektorengrenzen hinweg zu realisieren, sind Interopera-
sichtlich Datenmodellen, Datenbanken, Programmiersprachen, bilität und damit die beschriebenen Interoperabilitätsplatt-
Betriebssystemen sowie Transport- und Nachrichtenproto- formen wichtige Voraussetzungen, auch für den Zugriff auf
kollen erreicht, was insbesondere bei Best of Breed - System- Behandlungsdaten via Patientenportale und die Integration von
landschaften unabdingbar ist. Durch Einbindung eines Master Apps auf mobilen Geräten einschließlich der Datenübernahme
Patient Indexes (MPI) gewährleistet die IOP auch die Orches- von Wearables zur Unterstützung von Patient Engagement. Zur
trierung von Suchvorgängen und das Auffüllen des Clinical Förderung der App-Integration wurde in den USA die Health-
Data Repository (CDR) über Einrichtungsgrenzen hinweg, care App-Plattform SMART (Mandl 2022) mit Unterstützung
wobei ein (FHIR-basiertes) ID-Management die erforderliche des genannten ONC auf der Basis von FHIR API’s entwickelt
Zugriffssicherheit (auch von Portalen auf die IOP) gewährleis- sowie das Argonaut Projekt initiiert (Marquard 2021) und ein
tet. Federal Trusted Exchange Framework and Common Agree-
Insbesondere für die erforderliche Prozessorientierung der ment (TEFCA) konzipiert, um die Teilhabe der Patienten an
IT-Systemlandschaft und für die Bereitstellung strukturierter, dem US-Vernetzungsprojekt „Qualified Health Information
diskreter und normierter Informationen zur Unterstützung Networks (QHINs)“ zu sichern (Mandel et al. 2021).
einer effizienten Medikation (wie AMTS) und der klinischen Ein weiterer Aspekt der patientenzentrierten Versorgung,
Entscheidungsunterstützung (CDSS) sowie für die Einbezie- der aber hier nur erwähnt werden kann, ist der Nutzen für
hung künstlicher Intelligenz (Neuronale Netze, Deep Medicine die Versorgungsforschung (Population Health Management)
42 GMDS-Praxisleitfaden „Das vernetzte Gesundheitswesen“