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KI in der Klinik heute                           Potentiale der Digitalisierung
               Im medizinischen Ablauf sind auf die Dauer Differentialdiag-  Sollen wir also noch mal 10 bis 20 Jahre warten, bis die KI
               nostik, Interpretation von Befunden verschiedener diagnosti-  endlich masseneinsatzfähig wird? Sicherlich nicht. Denn im
               scher Disziplinen sowie Differentialtherapie und Therapieüber-  Bereich der Digitalisierung bestehen gewaltige Potentiale zur
               wachung durch den Einsatz von KI verbesserbar. Heute sehen   Rationalisierung des Krankenhausbetriebs durch logistische
               wir davon im klinischen Alltag noch wenig, denn obwohl es ins-  Optimierung. Heute verbringen die Patienten viel Zeit mit
               besondere in der Differentialdiagnostik schon seit Jahrzehnten   dem Warten auf administrative Prozesse oder Untersuchun-
               gute Lösungen zur Unterstützung von Ärzten gibt, sind diese   gen und Gespräche, weil die Abläufe im Krankenhaus analog
               bislang noch nicht stark zum Einsatz gekommen, weil sie keine   organisiert sind. Durch eine konsequente Digitalisierung des
               Akzeptanz gefunden haben. Verfügbar sind bereits Lösungen   Betriebs im Sinne eines vollständig digital abgebildeten Pro-
               zur Unterstützung von Radiologen bei der Bildinterpretation,   duktionsprozesses sind zahlreiche Einsparpotentiale realisier-
               doch sind diese noch nicht leistungsstark genug, um wirklich   bar. Beispielsweise könnten die Patienten bei der Aufnahme in
               Einsparungen erzielen zu können. Eine echte Arbeitserleichte-  das Krankenhaus anstatt eines Aufkleberbogens zur Identifika-
               rung ist bereits bei der Befundung histologischer Schnitte mög-  tion aller ihnen zugehörigen Dokumente ein RFID-Armband
               lich, doch handelt es sich hier um einen Randbereich, bei dem   bekommen. Damit könnten alle digitalen Dokumente (Stamm-
               Einsparungen in der Gesamtbilanz eines Versorgers mit 1000   daten, Befunde, Verträge) digital identifiziert und vom Patien-
               Betten nicht stark in’s  Gewicht fallen. Am ehesten findet man   ten signiert werden. Der Patient wäre dadurch auch mit Hilfe
               KI-Lösungen bei der Mustererkennung in der Diagnostik und   einer entsprechenden Infrastruktur im Gebäude ständig loka-
               Therapieüberwachung, beispielsweise bei der automatischen   lisierbar, zusammen mit den Inhalten der elektronischen Kran-
               EKG-Interpretation, die mittlerweile weit unterhalb der Feh-  kenakte und Patientenkurve wäre es möglich, die Patienten im
               lerquote von Ärzten arbeitet. Doch ist der Investitionsbedarf   Krankenhaus effektiver und effizienter den Funktionen, die
               noch gewaltig, bevor Lösungen entstehen, die Kosten bei der   sie durchlaufen müssen, zuzuordnen. Beispielsweise könnten
               ärztlichen Versorgung einsparen können. Ärztliche Versorgung   plötzlich und unerwartet freiwerdende Kapazitäten schneller
               folgt dem Motto: Heilen, Lindern, Trösten. Bei diesen Tätig-  mit Patienten gefüllt werden, indem Systeme autonom über den
               keiten, die eine Zuwendung zum Patienten und Intersubjek-  Transportdienst Patienten anfordern. Diensthabende Assistenz-
               tivität erfordern, kann keine Maschine den Arzt unterstützen,   und Oberärzte könnten ihre Arbeit auf der Station und in der
               sondern lediglich im rein technischen Bereich seines Handelns.   Ambulanz, aber auch Konsile oder Notfalleinsätze innerhalb
               Genauso wenig kann die Maschine den Arzt als Kollegen der   des Krankenhauses besser priorisieren und takten. Da das Kran-
               nichtmedizinischen Heil- und Pflegeberufe, mit denen er stän-  kenhaus sowieso eine totale Institution ist, bedeutet das Tragen
               dig aktiv interagieren muss, ersetzen.           eines RFID-Tags auch keine Einschränkung der Rechte des
                  Am vielversprechendsten ist die KI-Unterstützung derzeit   Patienten. Eine Integration der für die logistische Optimierung
               bei cloudbasierten Codierungssoftwares und KI-gestützten   erforderlichen Anwendungen (Hardware und Software) wäre
               Spracherkennungen. Sie können vor allem mittels Sprachein-  mit den Bestandssystemen schon heute möglich, da der dafür
               gabe schneller klinische Dokumente erstellen. Das Klinikum   notwendige Datenaustausch zwischen den Systemen eher flach
               Stuttgart zeigt als jüngstes Beispiel das Einsparungspotenzial:   ist. Die Einsparpotentiale sind groß, und der resultierende
               So erhalten die Mitarbeiter einen ganzen Tag mehr pro Monat,   Nutzen kann je nach Lage des Unternehmens im Markt in
               den sie in die Zuwendung der Patienten investieren können.   Qualitätssteigerung oder höhere Profitabilität gesteckt werden.
               Das medizinische Personal des Uniklinikum Jena beispielsweise   Warum schlägt die Digitalisierung im Krankenhaus derzeit die
               konnte die Zeit, die sie für die Erstellung von OP-Berichten   KI? Weil KI immer nur richtig viel bringt, wenn man sie inner-
               braucht, um die Hälfte reduzieren. Besonders in der Unfallchir-  halb stark digitaler Prozesse verwendet. Das heutige Kranken-
               urgie und der Zentralen Notaufnahme des Klinikums hat es sich   haus ist weitgehend analog, die digitale Welt läuft nur nebenher
               als besonders hilfreich erwiesen, dass Dokumente nun schneller   und ist noch nicht ausreichend mit den Prozessen verwoben
               verfügbar sind. Auch in weiteren Bereichen der Krankenhaus-  wie etwa bei der modernen industriellen Fertigung. Wir kön-
               verwaltung können KI-Systeme administrative Routinetätig-  nen zunächst einmal sehr viele Kosten sparen, indem wir die
               keiten übernehmen, um Personal etwa in der Personalplanung   Prozesse wirklich digital abbilden und nativ unterstützen. Dann
               zu entlasten. Allerdings sind die tatsächlichen Einsparungen   kann KI ihr Potential voll entfalten. Der Weg dorthin ist aber
               von Zeit und Personal noch äußerst gering und belaufen sich   keineswegs langweilig, sondern hochinteressant und eine große
               nach eigenen Analysen bei maximaler Ausschöpfung des derzei-  Herausforderung für alle Beteiligten.
               tigen Potenzials auf rund fünf Prozent.




               Krankenhaus-IT Journal 1 /2023
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