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Wann werden MXR-Anwendungen und Hardware zu einem Medizinprodukt?
Sicherheitsgefühl durch die Anonymität bei der Nutzung von Angesichts der Vielzahl möglicher Anwendungen im Meta-
VR-Avataren. verse und zugehöriger Produkte wird für die Klassifizierung
MXR ermöglicht zudem Simulationen, die etwa in einer einer MXR-Anwendung als Medizinprodukt oder Lifestyle-
Konfrontationstherapie genutzt werden können, indem sich Produkt eine Einzelfallbetrachtung notwendig sein. Beispiels-
Patient*innen mit ihren Avataren in angstauslösende Situatio- weise wird eine VR-Brille, die nicht mit gesundheitsbezogenen
nen begeben, ohne sich konkret zu gefährden. Claims, sondern lediglich mit ihren VR-Funktionen beworben
In der operativen Nachversorgung und im Bereich der Phy- wird, nicht dadurch zum Medizinprodukt, weil damit auch
siotherapie können im MXR Heilungsfortschritte ohne erneute Ärzte und Patienten zu medizinischen Zwecken interagieren
Anfahrt des Patienten und durch Einsatz von KI auch mit redu- können.
ziertem Personaleinsatz intensiver und zugleich mit geringeren Umgekehrt muss eine Medizinproduktsoftware, welche die
Kosten überwacht werden. Eine mit der Verwendung von Ava- VR-Brille als Zugangsmöglichkeit zum Metaverse voraussetzt,
taren einhergehende „Gamification“ von Behandlungen wird auch die Integration dieser Brille und ihre Eignung im Rahmen
bereits jetzt erfolgreich in der Schmerztherapie eingesetzt. der Konformitätsbewertung der Software berücksichtigen.
Für Werbeaussagen zu MXR-Anwendungen mit Bezug zum
3. Medizinprodukte in der Medical Extended Reality deutschen Markt ist zu beachten, dass diese durch wissenschaft-
In der MXR als virtuellem Raum ergeben sich auch Anwen- lich aussagekräftige Studien belegt sein müssen (sog. heilmittel-
dungsmöglichkeiten für digitale Medizinprodukte und Medi- werberechtliches Strengeprinzip).
zinproduktsoftware. Software-Anwendungen sind bisher dann
als Medizinprodukt zu qualifizieren, II. Welches Recht gilt in der Medical Extended Reality?
■ wenn sie „intelligent“ ist, d.h. therapeutische Empfehlun- Auch wenn die Avatare von Arzt und Patient in einer globalen
gen aufgrund der Messung von Vitaldaten auswerfen, die Medical Extended Reality interagieren, gelten für ärztliche
dann vom Anwender für medizinische Entscheidungen Behandlungsverträge Einschränkungen bei der Rechtswahl. Für
berücksichtigt werden können, Patienten mit Aufenthaltsort in Deutschland findet auch bei
und Behandlungsverträge mit im Ausland ansässigen Ärzten das
■ vom Hersteller auch mit dieser Zweckbestimmung angebo- zwingende deutsche materielle Zivilrecht zum Patientenschutz
ten werden. Anwendung und kann nicht abgewählt werden.
Ob eine MXR-Anwendung als eigenständige Medizinpro- Bieten in Deutschland ansässige Ärzte Behandlungen für aus-
dukt-Software zu qualifizieren ist, dürfte davon abhängen, ob ländische Patienten an, ist das ausländische Behandlungsver-
sich die medizinische Zweckbestimmung auf die reale Anwen- tragsrecht grundsätzlich anwendbar, aufgrund der sogenannten
dung außerhalb des Metaverse bezieht. D.h. soll über den Ein- Günstigkeitskontrolle allerdings dann nicht, wenn das Schutz-
satz des Produkts im MXR für die tatsächliche Behandlung des niveau des ausländischen Rechts (bspw. im Hinblick auf die
Patienten ein therapeutischer oder diagnostischer Effekt erzielt Arzthaftung) hinter dem deutschen Recht zurückbleibt.
werden, wäre Metaverse-Anwendung als Medizinprodukt zu
qualifizieren. III. Arztvorbehalt für die Behandlung von Avataren?
Zukünftig werden dabei auch Hardware-Komponenten Die ärztliche Heilbehandlung dürfen in Deutschland nur
(z.B. vernetzte Messgeräte am menschlichen Körper) mit den approbierte Ärzte ausüben. Eine Behandlung von Patienten
Komponenten im Metaverse vernetzt sein, die dann ggf. als Ein- durch Nicht-Ärzte ist untersagt. Aber gilt dies auch für die
heit einer Konformitätsbewertung unterzogen werden müssen. Behandlung von Avataren von Patienten?
Krankenhaus-IT Journal 6 /2022
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