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Der Bundesverband der Krankenhaus IT-Leiterinnen / Leiter e. V.


           Weiterhin sind einerseits die je Fördertat-  Es ist zu befürchten, dass sich kleine   Schulung  der  Dienstleister  ab  Anfang
           bestand beschriebenen MUSS-Kriterien   und mittlere Häuser wenig bis gar nicht   2021 verzögert sich die Antragstellung
           in ihrer Zielrichtung und ihrem Zweck   an der Beantragung der Fördermittel   um einen weiteren Zeitraum.
           nachvollziehbar, andererseits engen die   beteiligen wollen oder können, obwohl
           Vorgaben  die freie  Ausgestaltung  im   sie meist aufgrund der fehlenden Inves-  Kritisch-konstruktive
           Sinne einer Krankenhaus-individuellen   titionsmittelbereitstellung in den letzten   Betrachtung
           Umsetzung erheblich ein. Es ist nicht   Jahren den größten Bedarf an Unterstüt-  Auf einige Aspekte soll in der kritischen
           zielführend und nicht sachdienlich, wenn   zung in der Digitalisierung haben dürften.  und konstruktiven Betrachtung nachfol-
           neben der Zielbeschreibung auch bereits   In der Folge werden diese Häuser   gend näher eingegangen werden.
           der Weg sowie konkrete Werkzeuge vor-  durch die bereits angekündigten Malus-  Der Großteil der MUSS-Kriterien für
           gegeben sind.                    Regelungen in weiter schwierige wirt-  die geforderten Patientenportale könnte
              Unabhängig davon stellt sich die   schaftliche Fahrwasser geraten, ihnen   die Überschrift „Telematikinfrastruktur“
           Frage, ob die geforderten Funktionalitä-  wird die Insolvenz und ggf. Schließung   tragen. Warum sollen hier Redundan-
           ten auch bereits am breiten Markt verfüg-  drohen. Oder bedeutet KHZG nur   zen aufgebaut werden? Das ist nicht nur
           bar sind. Es dürften noch einige Module   Zukunft für die mittleren und großen   organisatorisch und technisch widersin-
           in den genutzten Standardsoftwarelösun-  Häuser?                 nig, sondern auch wirtschaftlich nicht
           gen fehlen. Ergänzende alternative Soft-  Auch lässt sich vermuten, dass die   sinnvoll. Dazu zählen beispielsweise das
           warelösungen sind meist nur schwer und   Krankenhäuser offensichtlich Druck auf   Hochladen sowie die Bereitstellung von
           mit Brüchen im Datenfluss einsetzbar   ihre jeweiligen Anbieter aufbauen sollen,   Dokumenten vom / für den Patienten.
           und somit oft nicht praxistauglich.  damit diese ihre Produkte weiter ent-  Dies wird die TI-ePA künftig abbilden.
              Insgesamt entsteht der Eindruck,   wickeln. Dies dürfte allerdings nur von   Deshalb sollte hier eher auf deren Integ-
           dass sich in den MUSS-Kriterien Anfor-  mäßigem Erfolg sein, da der KIS-Markt   ration in die Portale verwiesen werden.
           derungen wiederfinden, die in der Theo-  und somit die Anbieter überschaubar   Weiterhin werden digitale Aufklä-
           rie durchaus Sinn ergeben, die in kleine-  sind. In der Konsequenz kann es bedeu-  rungsbögen und -filme gefordert. Hier
           rem Umfang in Pilotprojekten oder auch   ten, das jeweils bereits genutzte KIS   sollte bekannt sein, dass die Abrech-
           als Prototyp umgesetzt wurden, die aber   in Frage zu stellen und sich mit einem   nungsmodelle überwiegend nach einem
           bisher in der Praxis keine oder noch keine   Wechsel der Lösung zu beschäftigen, was   on-demand-Bezahlverfahren laufen, also
           Rolle spielen. Meist sind die Lösungsan-  aber zeitlich und auch finanziell den Rah-  pro Bogen und Film zu zahlen ist. Diese
           bieter selbst noch nicht in der Lage, diese   men des KHZG sprengt.  Kosten sind nach der Projektzeit nicht
           Funktionen als Teil ihrer Standard-SW   Die Rolle der zu beauftragenden IT-  mehr über die Fördermittel refinanziert,
           zu liefern.                      Dienstleister sehen wir kritisch. Ihnen   können sich aber bei einem Haus mittle-
              Weiterhin werden in den MUSS-  wird im Rahmen der Nachweispflicht   rer Größe auf einen jährlichen 6-stelligen
           Kriterien Funktionen gefordert, bei   eine entscheidende Rolle eingeräumt.   Betrag summieren. Dieser Grund könnte
           denen bereits heute klar ist, dass es hierfür   Damit steuern sie wesentlich mehr die   ebenfalls dazu führen, dass für Portale
           Verfahren und Funktionen auf Basis der   Inhalte der Förderanträge als es dem   nur wenige Anträge gestellt werden.
           Telematikinfrastruktur geben wird.  Krankenhaus möglich ist. Aufgrund der



           Fragen zu Validität und Relevanz der Nutzung
           im medizinischen Prozess

           Ein weiterer Punkt. Warum soll zwingend in der Pflegedoku-  zimmer oder auf dem Flur die Dokumentation erstellt wird, ist
           mentation mittels Spracherkennung gearbeitet werden?   der Datenschutz sehr kritisch zu sehen.
              Das Ziel einer unmittelbaren und ortsunabhängigen Doku-  Mehrfach wird in den Fördertatbeständen auf die Über-
           mentation kann auch über innovative, app-basierte Lösungen   nahme und sogar die Bereitstellung von Daten der Smart-
           auf Tablets oder Smartphones realisiert werden.   Devices und Wearables der Patienten verwiesen.
              Die   Spracherkennung wird eher weitere Konsequenzen   Dies ist kritisch zu sehen. Hier ist generell die Validität und
           nach sich ziehen.                                somit die Relevanz hinsichtlich der Nutzung im weiteren medi-
              Zum einen sind die in der Regel hohen Lizenzkosten für   zinischen Prozess in Frage zu stellen. Nur MDR-/ MPG- zertifi-
           die entsprechenden Module zu nennen, da sich eine internet-  zierte Lösungen mit standardisierten Schnittstellen dürften hier
           basierte Erkennung via Internetdiensten von Apple, Google,   die nötige Sicherheit für den Arzt geben, sich auf diese Daten
           Amazon usw. aus Datenschutzgründen verbieten sollte. Bei der   verlassen zu können.
           Nutzung von Spracherkennung, vor allem wenn im Mehrbett-




                                                                                    Krankenhaus-IT Journal 1 /2021
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