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Bürokratiemonster ersticken Neulich haben Peter und ich bei einem Glas Rotwein
wieder einmal über Künstlerförderung diskutiert.
Peter ist Künstler und natürlich bei diesem Thema
Innovation und Kreativität besonders aufmerksam. Plötzlich sprach er mich
direkt an und fragte mich, was ich von der vom
Gesundheitsminister verkündeten Revolution des
Gesundheitssystems halte und ob diese Ideen nicht
oder: Warum Revolutionen auch auf die Finanzierung der Kunst übertragen
werden könnten. Der Minister habe doch die
Entökonomisierung der Medizin versprochen. Das sei
häufig nach hinten losgehen in seinen Augen ein tolles Modell auch für die Kunst.
Eine Glosse von Heinz Lohmann
a, ja, sagte ich, das sei alles schön und gut, aber ganz so ein- wollte ich ihm nicht. Bei einem weiteren Glas Rotwein verwar-
Jfach sei das auch nicht. Schließlich solle das Geld ja nicht fen wir den Gedanken, die künftigen Finanzierungsregelungen
bedingungslos fließen. Da müssten die Kliniken schon verschie- aus der Gesundheitspolitik auf die Kunstförderung zu übertra-
dene Voraussetzungen erfüllen, um bedacht zu werden. Wenn gen.
wir das mal in die Kunst übertragen wollten, wäre da zunächst Ist es denn wirklich ein kluger Einfall, ausgerechnet in einer
ein Landesatelierplan zu erstellen, der sich an dem Kunstbe- Phase des extremen Umbruchs der Strukturen der Gesundheits-
darf der Bürgerinnen und Bürger ausrichtet. Dann würden die angebote, bestehende Institutionen wieder vorwiegend zu ali-
Künstlerinnen und Künstler und ihre Ateliers entsprechend mentieren? Macht es Sinn angesichts von Ambulantisierung,
der Gestaltungsgruppen bewertet werden. Dabei käme es auch Digitalisierung und Fachkräftemangel überkommene Kliniken
auf die Anzahl der Kunstwerke an, die in einem Jahr geschaf- mit Vorhaltepauschalen statischer statt flexibler zu machen?
fen würden. Seien das zu wenige Gemälde, Zeichnungen oder Sollte das leistungsbezogene Entgeltsystem nicht eher fortent-
Skulpturen, scheide diese Künstlerin oder dieser Künstler aus wickelt werden? Wäre es nicht sinnvoll, die Patientinnen und
der entsprechenden Gestaltungsgruppe aus. Patienten mehr ins Zentrum zu rücken und deren Entscheidung
Und dann ginge es natürlich noch um die Qualität. Je nach in die Finanzierung einfließen zu lassen, wenigstens dort, wo
Ausstattung des Ateliers werde es gestaffelte Leistungsstufen das möglich ist und da wo Behandlungsqualität heute schon
geben müssen. So reichten 20 Pinsel für die einfachen Gemälde, bewertet werden kann, auch diese?
ab 100 Pinsel handele es sich dann um Spitzenkunst. Aus der Geschichte wissen wir, dass Evolution meistens
Mein Freund Peter hatte während meiner Erläuterungen weiterführt als Revolution. Viele kleine Schritte sind mehr als
ein weiteres Glas Rotwein getrunken. Das entspannte aber wenige große, zu denen dann häufig zum Schluss der Mut fehlt.
keinesfalls seine ganz im Gegenteil zunehmend verkrampften Ein funktionierendes Finanzierungssystem ist der Schlüssel
Gesichtszüge. Er schaute mich fragend an. So ein System wolle für den gestalteten Wandel der Strukturen. Bürokratiemonster
der Gesundheitsminister jetzt in der Medizin einführen? Das ersticken hingegen Innovation und Kreativität. Da sind mein
sei doch völlig verrückt. So richtig widersprechen konnte und Künstlerfreund Peter und ich völlig einer Meinung.
Krankenhaus-IT Journal 6 /2023
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