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Während die Komplexität der Personalbemessung im   Die Weiterentwicklung der KI steht und fällt
               Krankenhaus durch neue Richtlinien wie die Pflegepersonal-  mit den Daten
               Regelung (PPR) 2.0 steigt, sinkt die Verfügbarkeit von   Eine K I-g estützte Personalbemessung könnte
               erfahrenen Fachkräften. Die langfristige Stationsplanung   Personalmanagement, Patientenversorgung und Zufriedenheit
               verlangt vor allem eines: langjährige Erfahrung. Viele   der Fachkräfte verbessern. Das Fraunhofer IKS arbeitet
               verschiedene Faktoren müssen berücksichtigt werden,   bereits daran, die Übertragbarkeit des KI-Modells auf
               neben Personalkapazitäten auch gesetzliche Vorgaben,   andere Gesundheitseinrichtungen zu evaluieren und es
               regionale, saisonale, stationsbezogene Schwankungen in der   weiter zu verbessern, etwa durch Integration zusätzlicher
               Bettenbelegung, Zusatzkosten durch kurzfristige Umplanung   Entscheidungsparameter wie Großveranstaltungen.
               oder Unterbesetzung, sowie persönliche Präferenzen des   Voraussetzung dafür sind jedoch repräsentative, vollständige und
               Pflegepersonals. Trotz digitaler Planungssoftware ist die   verwertbare Trainings- und Testdaten in ausreichender Qualität
               Bemessung ein aufwändiger manueller Prozess, den KI durch   und Menge – eine bekannte Hürde in der KI-Entwicklung,
               die Vorhersage von Belegungszahlen und Personalbedarf   insbesondere im Gesundheitswesen.
               erleichtern kann.                                 
               KI und Fachpersonal zusammen liefern das
               beste Ergebnis

               Das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS entwickelte
               und evaluierte in einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit
               der Universitätsklinikum Mainz (UM Mainz), ATOSS Software
               und Flying Health ein KI-Modell zur Personalbemessung. Die
               KI basiert auf modernsten Zeitreihen-Prognosemodellen
               – Forschungsschwerpunkt am Fraunhofer IKS, das sich mit
               sicherer und vertrauenswürdiger KI befasst. Die KI erkennt
               Trends und Muster in den Datensätzen, berücksichtigt
               komplexe Regulation wie die PPR 2.0 und prognostiziert die
               erwartete Bettenbelegung und den Personalbedarf auf einer
               Station der UM Mainz für die nächsten Monate. Dadurch
               liefert sie einen datengestützten Anhaltspunkt für die Planung
               und kann insbesondere für wenig erfahrenes Pflegepersonal ein
               wertvolles technologisches Hilfsmittel sein.
                  Die Feinjustierung durch Fachkräfte ersetzt KI aus
               Sicht des Projektteams und weiterer befragter Kliniken
               allerdings nicht, wie aus der KI-Evaluation hervorgeht. Es
               gab vereinzelte erklärbare Abweichungen im Vergleich der
               KI-Prognosewerte mit tatsächlichen Patientenzahlen und
               Pflegeaufwänden aufgrund unerwarteter Umplanungen, die
               nicht in der Langzeitplanung berücksichtigt werden konnten.
               Solche Entscheidungsfaktoren sind für ein KI-Modell aktuell
               schwer zu erlernen, da Test- und Trainingsdaten diese nicht
               ausreichend abdecken. Das größte Potential verspricht daher die
               Kombination von KI und Fachpersonal, anstatt ausschließlich
               auf KI oder Fachpersonal zu setzen.
                










                                                                Johanna Schmidhuber, Business Development MedTech am
                                                                Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS


               Krankenhaus-IT Journal 6 /2023
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