Page 21 - Krankenhaus-ITJournal_062021
P. 21

Dass auch hier im Laufe der Entschei-  unvorstellbar, dass die hohe Analogisie-  lens, der Manpower und der Bereitschaft,
               dungskette und Applikation der Arzt   rung der Patientenversorgung so viele   unkomplizierte Lösungen zu finden. So
               weiter involviert bleibt, wird wohl noch   Risiken zulässt. Aktuell liegen Befunde   z.B.  bei  der  Beschaffung  von  mobilen
               eine Weile so bleiben. Die Informatio-  und Medikation technisch entkoppelt in   Endgeräten: Es spricht überhaupt nichts
               nen zu Patienten sollten den behan-  der Patientendokumentation vor. Es gibt   dagegen, die Endgeräte der Mitarbeiter
               delnden Arzt aber dort erreichen, wo er   keinerlei technische Routineprüfung,   zu verwenden, um Kommunikation im
               sich gerade befindet, also auch, wenn er   ob die Medikation mit den Unverträg-  Sinne des Patientennutzens zu verbes-
               gerade im Haus unterwegs oder im Funk-  lichkeiten abgeglichen  wurde  oder ob   sern. Technisch ist dies möglich, aber so
               tionsdienst, z.B. Endoskopie, aktiv ist.   medizinische Befunde mit den therapeu-  mancher Datenschützer und Betriebsrat
               Denn jede Zeitersparnis zählt und spart   tischen Maßnahmen in Einklang stehen   schützt hier lieber Daten und Prinzipien
               Wege. In Zeiten von Fachkräftemangel   (z.B. korrekte Antibiose bei Vorliegen   als den Patienten.
               und einem erheblichen Workload für   des  Antibiogramms) bzw. Kontraindi-  Zwei Fallstricke sehe ich dennoch:
               das  Krankenhauspersonal  ist dies  ein   kationen beachtet werden (z.B. Notwen-  Die größte Herausforderung liegt bei den
               erheblicher Vorteil für die Sicherheit   digkeit des Absetzens bestimmter Medi-  genannten Ansätzen dabei, die Mitarbei-
               und Stabilität in der Patientenversor-  kamente  bei  Vorliegen der  Laborwerte   ter nicht abzuhängen, sondern, dass diese
               gung. Hinzu kommt, dass dies das Per-  zur eingeschränkten Nierenfunktion).   den Nutzen erklärt bekommen und ver-
               sonal auch administrativ entlasten würde   Auch Informationen aus Voraufenthal-  stehen, wie alles funktioniert und warum
               und ein Arzt beispielsweise mehr Zeit   ten finden sich meist eher im Aktenar-  es Sinn macht, technische Verordnungs-,
               für die Patienten hätte, weil ein Großteil   chiv als im aktuellen Therapieregime   Freigabe- und Kommunikationsmetho-
               an Bürokratie bereits abgearbeitet wäre,   wieder – ein äußerst fahrlässiger Umgang   den einzuführen. Wenn die Mitarbeiter
               wenn er aus dem OP kommt.        mit Informationen, die meist irgendei-  sich als Objekte einer Entscheidung am
                  Die Beispiele für simple digitale   nen digitalen Bezugspunkt in einem der   grünen Geschäftsführungstisch empfin-
               Ansätze, um ärztliche und pflegerische   Kliniksysteme haben, aber nicht stan-  den und die technischen Möglichkeiten
               Tätigkeiten zu entlasten und gleichzeitig   dardmäßig verwendet werden.   nicht mittragen, macht das Ganze keinen
               den Patientennutzen zu steigern, sind   Für Kliniken sind derlei Ansätze   Sinn.
               grenzenlos. Vor allem im Bereich der   fast revolutionär und fühlen sich aktuell   Viel bedenklicher finde ich aktuell,
               Kommunikation können sehr schnelle   noch an wie die Entdeckung von Elek-  dass durch das KHZG so viel Geld auf
               Erfolge verbunden mit einer  hohen   trizität. Es wird aber allein aus der Not   den Markt kommt, dass recht undiffe-
               Akzeptanz beim Klinikpersonal erreicht   heraus, versorgungsnotwendige Stand-  renziert “drauflos” investiert wird. Die
               werden.  Schließlich  gehen  nicht  nur   orte  bei  fehlendem  Personal  zu  erhal-  Industrie verspricht Sorglosigkeit  und
               innerhalb eines Tages und zwischen   ten, nicht mehr lange dauern, bis solche   blühende digitale Landschaften, und
               den Berufsgruppen viele Informationen   Ansätze  konsequent  verfolgt  werden   Berater sorgen durch die Begleitung der
               verloren – und Konsile zwischen medi-  müssen. Am Ende ist das alles auch gut   Antragsstellung dafür, dass nichts schief
               zinischen Fachabteilungen unterliegen   lösbar – schließlich ist hier von simplen   gehen kann. Aber so, wie auch ein Haus-
               teils gruseligen Abstimmungsprozes-  technologischen Lösungen die Rede,   bau teuer werden und länger dauern
               sen –, sondern auch innerhalb der eige-  deren technisch-intellektuelle Heraus-  kann als geplant, wird auch so manches
               nen Berufsgruppe bei Schichtwechseln,   forderung eher in der Erstellung und Ver-  KHZG-Projekt noch anders laufen, als
               Urlaub oder Krankheit gehen wertvolle   mittlung von medizinischen Algorith-  es die Industrie und die Beratungen ver-
               Informationen verloren.          men besteht. Daher bedarf es eigentlich   sprochen haben.
                  In nahezu allen anderen Industriebe-  keines übertriebenen technischen Auf-
               reichen wäre es im übertragenen Sinne   wands, sondern in erster Linie des Wil-
                                                                                 




               Krankenhaus-IT Journal 6 /2021
                                                                                                                21
   16   17   18   19   20   21   22   23   24   25   26