Page 23 - Krankenhaus-ITJournal_062021
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hr Ziel ist es, Daten aus der medizinischen Versorgung und   Sie wollen medizinische Versorgungs- und Forschungs-
               IForschung besser zu vernetzen. Thun beschäftigt sich seit   daten intersektoral besser vernetzen. Was kann das
               mehr als 20 Jahren mit IT-Standards für den barrierefreien   BIH bewirken besonders bei Voraussetzungen und
               Datenaustausch. Sie berät in zahlreichen Gremien politische   für Bereitschaft im nationalen sowie internationalen
               Akteure sowie Einrichtungen im Gesundheitswesen. So leitet   Rahmen?
               sie das Konsortium „DigitalRadar“ „DigitalRadars“ zur Eva-  Prof. Thun: Das BIH kann Use Cases für die Vernetzung lie-
               luierung des Reifegrades der Krankenhäuser hinsichtlich der   fern, aber auch Methoden und Werkzeuge. Daneben sind die
               Digitalisierung nach § 14b KHG. Im Interview skizziert Prof.   Harmonisierungen der Daten immens wichtig. Hier spielt
               Thun Fragestellungen um BHI und Standardisierung.  meine Gruppe „Digitale Medizin und Interoperabilität“ eine
                                                                  wichtige Rolle; wir spezifizieren z.B. Implementierungsleitfä-
               Berlin soll zum nationalen Vorreiter für medizinische   den, die für die Forschung relevant sind.
               IT-Standardisierung werden. Welche besonderen     
               Akzente und Schwerpunkte haben Sie dazu an BIH,   Welche Impulse für umfassende Interoperabilität im
               Charité und MDC gesetzt?                         Gesundheitswesen kann das Krankenhauszukunftsge-
                 Prof. Thun: Wir sind ein Team, das seit vielen Jahren die   setz KHZG geben? Wie ist hierbei das BIH aktiv?
                 internationale Standardisierung weiterentwickelt. Schwer-  Prof. Thun: Interoperabilität wird vom KHZG explizit
                 punkte  sind  die  europäischen  und  deutschen  Strategien.   gefordert, sogar Standards wie FHIR werden genannt. Der
                 Dabei kommen Standards wie HL7 FHIR mvit SNOMED   „DigitalRadar“ fragt die Standards prozessual ab und legt
                 und LOINC zum Einsatz. Wichtig dabei ist, dass diese Stan-  Wert darauf, dass die Krankenhäuser die dementsprechenden
                 dards nicht nur konsumiert werden, sondern auch aktiv in   Services und Applikationen kennen und einschätzen. Ich
                 der internationalen und nationalen Gemeinschaft weiterent-  leite den „DigitalRadar“.
                 wickelt und lokalisiert werden. Schwerpunkte sind dabei die
                 wissenschaftlichen Fragestellungen rund um die Standards   Wie passen Marktinteressen der Industrie, offene
                 selber und der Einsatz der Standards für die Forschung.  Standards und Interoperabilität der Schnittstellen
                                                                zusammen? Auf welche Software sollten Krankenhäuser
               Warum hinken wir in Deutschland beim standardisier-  bei Investitionen künftig setzen?
               ten Datenaustausch zwischen den unterschiedlichen   Prof. Thun: Internationale und innovative Unterneh-
               Sektoren des Gesundheitswesens hinterher?          mer  haben  großes  Interesse  an  Standards.  Trotzdem
                 Prof. Thun: Es gab zu wenig klare Entscheidungen hin-  sollten die Krankenhäuser darauf achten, welche Standards
                 sichtlich er internationalen Standards und es fehlte eine   implementiert sind und ob diese kompatibel zu der gema-
                 koordinierende Instanz. Damit fehlte auch der Industrie ein   tik-Spezifikation ISIK sind. Andere Schnittstellen können
                 Rahmen, in dem sie ihre Produkte weiterentwickeln konnten.   durchaus noch in HL7 V2 eingesetzt werden, es ist jedoch
                 Nun werden leider mit den Standards Anwendungen überre-  eine Strategie Richtung FHIR unabdingbar.
                 guliert, so dass auch das nicht zuträglich ist.   
                                                                Wie sollte sich die Healthcare-Branchen-Kultur für ein
               Welche medizinischen Begriffssysteme für die Daten-  intersektorales Verständnis bei Markt, Medizin und
               kommunikation besitzen zukunftsweisende Wirkkraft?  Patienten verändern?
                 Prof. Thun: Alle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und   Prof. Thun: Ein gemeinsames Miteinander und FAIRe
                 Medizinprodukte (BfArM) aufgeführten Kodiersysteme   Daten – also Daten, die den Grundsätzen der Auffindbarkeit,
                 (ICD, SNOMED; LOINC, UCUM) sind wichtig und      Zugänglichkeit und Interoperabilität  an Wiederverwend-
                 zukunftsweisend. Daneben spielen auch immer mehr Stan-  barkeit entsprechen - sind die Grundvoraussetzung, dass
                 dards aus der Bioinformatik und der Global Alliance for   Deutschland in der  digitalen Gegenwart ankommt, den
                 Genomics and Health (GA4GH) eine Rolle, wie etwa die   Mitarbeitern im Gesundheitswesen nutzt und die Patienten-
                 Human Phenotype Ontology.                        behandlung und -prävention fördert.
                









               Krankenhaus-IT Journal 6 /2021
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