Page 12 - KH_IT_6_FINAL
P. 12

Titelthema                           



                                            Was wäre zu reformieren
                                            oder optimieren?                es zwangsläufig Mehrkosten verursacht
                                                                            (Fahrzeuge  und Personal). Es  manifes-
                                            Das Grundverständnis  in der Politik   tieren sich unstrukturierte Versorgungs-
                                            fehlt. Die Digitalisierung „des Gesund-  defizite. Diese werden erhebliche Kom-
                                            heitswesens“ funktioniert nicht ohne   pensationskosten hervorrufen. Zudem
                                            nachhaltige Strategie für das Gesund-  fallen Krankenhäuser als Redundanz
                                            heitswesen in seiner Gesamtheit. Die-  der ambulanten Versorgung aus z.B.
                                            ses  kann  man  mit  dem  Anspruch  der   während  der Schließzeiten von Praxen.
                                           „Digitalisierung“ nicht dauerhaft sektoral   Die Notfallpraxen sind ohnehin ohne
                                            betrachten. Die einzelnen Bereiche bzw.   unterstützende Krankenhäuser völlig
                                            Sektoren sind bereits gut digitalisiert.   überfordert. An dieser Stelle müsste
                                            Die Kinder kommen nur nicht zum Spie-  man technisch (und formal) ansetzen,
                                            len zusammen, weil jedes an seiner eige-  um „digitale Kommunikation“ zu schaf-
                                            nen Elektronik hängt. Ebenso wenig wie   fen und damit den Versorgungsprozess
                                            eine kalte Strukturbereinigung durch die   durchgängig mit Daten zu unterstützen.
                                            Insolvenz beliebiger Krankenhäuser den   Dieser Anspruch lässt sich nicht auf
                                            Gesamtversorgungsbedarf der Bevölke-  „Digitalisierung“ komprimieren. Daher
                                            rung und damit den realen Kommunika-  die vielen Mängel in der Ausprägung von
                                            tionsbedarf nicht berücksichtigt.  Anforderungen und Leistungen im Rah-
                                              Warum diskutiert niemand die   men der Digitalisierung.
                                            Zusammenhänge? Versteht  es keiner   Dann wäre noch das Thema der
                                            mehr,  oder  führt die Komplexitäts-  Technologie und Organisation. Die
                                            Reduktion für Minderverständige hier   strikte Sektorentrennung ist im Zeital-
                                            zur Ausblendung von Faktoren? Wagen   ter der Digitalisierung nicht mehr zeit-
                                            wir einen Blick: Niedergelassene Arzt-  gemäß. Eine analog basierte (primär
                                            sitze sind rückläufig in ländlichen Regio-  bürokratische) Organisation kann ohne
                                            nen. Die „überlieferten“ Öffnungszeiten   Anpassungen nicht digitalisiert werden.
                                            (immer alle gleichzeitig, oder keiner) der   Der aktuelle Ansatz führt zu viel zu vie-
                                            Praxen erfordern KV-Notfallpraxen und   len Einzellösungen und immer in engen
                                            dieses Konzept kommt durch das aktu-  Grenzen wie Sektoren, Bundesländern
                                            elle „Poolärzte-Urteil“ des Bundessozial-  oder gar Regionen. Wie soll man unter
                                            gerichts Kassel ins Wanken und wird die   diesen Bedingungen welches Produkt
                                           Versorgung eskalieren, was wiederum zu   für welches Szenario auswählen? Die TI
                                            (noch) einer stärkeren Frequentierung   (Telematikinfrastruktur) als Plattform
                                            der Notaufnahmen der Krankenhäuser   ist eine Idee, löst aber das Problem nicht,
                                            führen wird.                    da es nur um Transport und nicht um
                                               Gleichzeitig strebt die Politik eine   Struktur geht. Auch das Marktvolumen
                                            kalte Strukturbereinigung der Kran-  verteilt sich auf zu viele Mitspieler. Sek-
                                            kenhausstandorte an. Was wiederum   torales und partielles Denken ist damit
                                            die Abhängigkeit der Rettungsdienste   eines der bleibenden Kernprobleme.
                                            verleugnet. Fallen Krankenhäuser    
                                            unstrukturiert aus der Versorgung, dann   Was bleibt als Perspektive für
                                            entstehen für die Rettungsdienste län-  den IT-Manager?
                                            gere Wegstrecken. Das  bedeutet eine   Ehrlicherweise stümpert man über-
                                            längere Belegung der Fahrzeuge im Ein-  wiegend regional herum, weil regional
                                            satzfall und daraus resultieren zu wenig   nun mal besser zu sektoral passt und im
                                            Fahrzeuge. Mehr Fahrzeuge erfordern   Übrigen sind die Versorgungsaufträge
                                            aber mehr Personal (im NEF-Fall sogar   auch primär regional. Fast 30 Jahre lang
                                            Ärzte). Unabhängig von der Frage, dass   wurden sektoral begrenzte Produkte







                                                                                   Krankenhaus-IT Journal 6 /2023
       12
   7   8   9   10   11   12   13   14   15   16   17