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Telemedizin der Rahmenbedingungen haben. Als gleichen Berufsgruppe auf Augenhöhe det, lassen sich dort etablierte, standar-
disierte Werkzeuge nicht eins-zu-eins
kommuniziert. Bisher dominieren aber
neutraler Partner sind sie geeignet, mit
Vertrauen schaffender Ergebnisoffenheit
projekthaften Szenarien entstanden sind
IT-Systeme als Ressource darzustellen Nutzennachweise, die in „künstlichen“, übertragen bzw. bedürfen einer Anpas-
sung. Vor dem Hintergrund der Etablie-
und die Selbstwirksamkeit der handeln- und noch zu wenig die Sichtweise der rung neuer Versorgungsformen mittels
den Personen hinsichtlich beruflicher Berufsgruppen beinhalten. Telemedizin ist der „Faktor Mensch“ von
Herausforderungen zu erhöhen. Häufig großer Bedeutung. Daher ergänzen die
werden aber initial lediglich Schulungen Telemedizinische Systemar- Konzepte der soziotechnischen System-
durchgeführt, die rein defizitorientiert chitektur richtig planen forschung die klassischen Ansätze wie
sind, um fehlende Kenntnisse zu vermit- Krankenhäuser unterschiedlicher Größe TOGAF ideal im Rahmen eines „Best-
teln. Dies erzeugt Frustration und lässt und digitaler Reife benötigen ein umfas- of-breed“-Ansatzes.
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sendes Verständnis der Schlüsselkompo- Ausblick
häufig mit einer als überbordend wahr- nenten und -prozesse, die für die erfolg- Welche Punkte sind also bei Tele-
genommenen Bürokratie und Sorgen um reiche Konzeption und Umsetzung medizin in der Regulatorik rund um
den Datenschutz allein. telemedizinischer Architekturen not- eHealth zukünftig besonders zu verbes-
Welche konkreten Lösungsvor- wendig sind. Die folgenden Schritte sind sern? Das vorgeschlagene Vorgehen kann
schläge gibt es nun auf Basis dieser entscheidend: den Implementierungserfolg deutlich
anspruchsvollen Konzeption im Bereich 1) Einbeziehung aller relevanten Sta- verbessern, aber es wird auch die Imple-
der hybriden Versorgung? keholder aus verschiedenen Ebenen mentierungskosten graduell erhöhen. Es
1) Ausgangspunkt ist die Feststel- und Fachbereichen, um den aktuellen ist also an der Zeit, dass darauf regula-
lung von Ineffizienzen in den beste- Zustand der Krankenhaus-IT zu erfassen torisch angemessen und ehrlich reagiert
henden Prozessen im Dialog mit den und ein klares Zielbild für die zukünf- wird. Wir brauchen letztlich digitale
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Je tige Architektur zu entwickeln. Dieser Kümmerer.
mehr Ineffizienzen im noch analogen Schritt endet mit einer dokumentierten
Prozess bestehen, desto eher wird dieser Selbstverpflichtung aller Beteiligten für Alohali, M., Carton, F., & O’Connor, Y. (2020). Investigating
als “umständlich” bewertet. Dies kann das Vorgehen zur Konzeption der IT- the antecedents of perceived threats and user resistance
die Akzeptanz der angestrebten digita- Architektur. to health information technology: a case study of a public
len Lösung fördern, wenn der vermit- 2) Strukturiertes und planvolles Vor- hospital. Journal of Decision Systems. doi:10.1080/124601
25.2020.1728988
telte Nutzen hoch ist. Somit erscheint gehen bei der Analyse und Konzeption Josey, A. & Group, T. O. 2023. TOGAF ENTERPRISE
das neue IT-System als Teil der aktiven, der IT-Architektur nach einem Phasen- ARCHITECTURE FOUNDATION STUDY GUIDE.
selbst gestalteten Problemlösung. modell, das verbindliche Ergebnisse in [S.l.]: Van Haren Publishing.
2) Um die Selbstwirksamkeit der Mit- den Phasen der Analyse und Konzeption Kroenung, J., Eckhardt, A., & Kuhlenkasper, T. (2017). Con-
arbeiterinnen und Mitarbeiter weiter zu sicherstellt. flicting behavioral paradigms and predicting IS adoption
and non-adoption – The importance of group-based analy-
stärken, sollte ein Dialog darüber geführt 3) Verständliche Dokumentation der sis. Computers in Human Behavior, 67, 10-22. doi:papers3://
werden, welche Unterstützungsangebote Konzeption als Ergebnis der Konzep- publication/doi/10.1016/j.chb.2016.09.058
bereitgestellt werden können. tionsphase, die von allen Stakeholdern Laumer, S., Maier, C., Eckhardt, A., & Weitzel, T. (2017).
3) Außerdem ist die Einbindung der verstanden wird und als Grundlage für Work routines as an object of resistance during information
systems implementations: theoretical foundation and empi-
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Projektplanung, Auftragsvergaben und rical evidence. European Journal of Information Systems,
Datenmanagement wichtig. Es empfiehlt letztendlich die Umsetzung dient. 25(4), 317-343. doi:papers3://publication/doi/10.1057/
sich, einen Bottom-up Ansatz zu verfol- 4) Eigenverpflichtung der Stakehol- ejis.2016.1
gen und auf Basis der von den Beteiligten der zur Umsetzung der Konzeption und Luiz Antonio Joia, Davi Gradvohl de Mace?do, & Oliv-
benötigten Daten ein Datenschutzkon- Einrichtung einer Governance zur Steue- eira, L. G. d. (2014). Antecedents of resistance to enterprise
systems: The IT leadership perspective. Journal of High
zept zu erstellen. Darüber hinaus sollte rung während der Umsetzungsphase. Technology Management Research, 25, 188-200.
eine umfassende Aufklärung über daten- Dieser Prozess lässt sich mittels Marjanovic, S., Altenhofer, M., Hocking, L., Chataway, J., &
schutzrechtliche Bestimmungen erfol- verschiedener Methodiken wie z. B. Ling, T. (2020). Innovating for improved healthcare: Socio-
gen, die Mitarbeitende abholt und deren TOGAF (The Open Group Architecture technical and innovation systems perspectives and lessons
from the NHS. Science and Public Policy, 47(2), 283-297.
Fragen ernst nimmt. Framework) durchführen. TOGAF bie- Sarker, S., Sutirtha Chatterjee, Xiao Xiao, & Elbanna, A.
Wichtig sind vor diesem Hintergrund tet einen Ansatz für Entwurf, Planung, (2019). The Sociotechnical Axis of Cohesion for the IS
darüber hinaus Nutzennachweise aus der Implementierung und Wartung von IT- Discipline: Its Historical Legacy and Its Continued Rele-
Praxis, um den Einstieg in die Kommuni- Architekturen und bezieht beim Vor- vance. MIS Quarterly, 43(3), 695-719. doi:10.25300/
MISQ/2019/13747
kation erfolgreicher zu gestalten. Opti- gehen alle Stakeholder eng mit ein. Da Windby, S., & Mohrman, A. (2018). Digital sociotechnical
malerweise werden diese von erfahrenen das Gesundheitswesen sich von anderen system design. The Journal of Applied Behavioral Science,
Anwenderinnen und Anwendern aus der Domänen (Industrie etc.) unterschei- 54(4), 399-423.
Krankenhaus-IT Journal 1 /2024
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