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Telemedizin
Telemedizin –
Wunsch oder Wirklichkeit?
In der Digitalisierung im Gesundheitswesen hat „Telemedizin“ erkennbare
Impulse gegeben. Doch bei Akzeptanz und Produktivitätssteigerung einer
hybriden Versorgung sind Optimierungen nötig. konkrete, praktische
Projekterfahrungen in diesem Thema gibt Stefanie Springer weiter,
Managerin der BANSBACH ECONUM Unternehmensberatung GmbH.
Nutzenbewertung als Basis zum Einsatz von
Was versteht man unter Telemedizin? Telemedizin ist als
Bestandteil von eHealth zu verstehen. Sie „ermöglicht es, unter Telemedizin
Einsatz audiovisueller Kommunikationstechnologien trotz Ein entscheidender Faktor zur Überführung telemedizinischer
räumlicher Trennung z.B. Diagnostik, Konsultation, Monito- Anwendungen und Versorgungsabläufe in die Regelversorgung
ring und medizinische Notfalldienste anzubieten.“ (Bundesmi- greift allerdings schon vor der eventuellen Zulassung: Der
nisterium für Gesundheit, 10.01.2024). Nutzennachweis, der übrigens für die Zulassung gleichermaßen
Dies findet vor allem Anwendung im ländlichen Raum, erforderlich ist wie für die Verhandlung mit den Krankenkas-
wo eine geringere Arztdichte herrscht, Wege für die Patienten sen. Zur Generierung von belastbaren Controlling-Nachweisen
länger sind. Diese Herausforderungen verlangen förmlich nach des Nutzens ist es wichtig, bereits bei Produkt- bzw. Prozess-
digitalen Lösungen wie Telemedizin, wodurch sich auch Res- Entwicklung eine Nutzen-Evaluation einzuplanen und ein ent-
sourcen bei den Versorgenden einsparen ließen. sprechendes Evaluationskonzept mit medizinisch fundierten
Vor allem im ambulanten Setting wird Telemedizin bedeut- Parametern zu erarbeiten. Um den langwierigen Prozess der
samer. Durch telemedizinische Anwendungen kann die Effi- Überführung in die Regelversorgung vorzubereiten, kann auch
zienz der Versorgung weiter gesteigert werden – nicht nur für ein Pre-Assessment hilfreich sein, welches bereits während der
die Versorgenden, sondern auch für die Patienten, die von dem Pilotierungsphase abgeschlossen wird. Die hieraus gewonnen
technischen Fortschritt auch in Sachen Gesundheit profitieren Erkenntnisse festigen die Value Proposition in der Gesund-
und in ihrem gewohnten Umfeld genesen können. Doch auch heitsversorgung durch das Pilotprojekt und lassen sich hervor-
stationär gibt es Ansätze zur Optimierung durch Telemedizin, ragend zur späteren Vermarktung einsetzen.
beispielsweise beim Entlassmanagement und der Übergabe in
den ambulanten Bereich. Businessplan und Geschäftsmodell sind
Dennoch scheinen sich telemedizinische Anwendungen Pflicht, nicht Kür
und Versorgungsabläufe noch nicht durchgesetzt zu haben. Vergütungsstrukturen müssen bereits im Pilotprojekt so ange-
Wenn es um Telemedizin mittels Digitaler Gesundheitsanwen- legt werden, dass sie in Verbindung zum Nutzennachweis
dungen (DiGa) oder Medizinprodukte geht, liegt ein Grund gebracht und in die Regelversorgung transferiert werden kön-
sicher in der Regulatorik, deren Anforderungen eher zu- statt nen. Andernfalls ist der Zusatznutzen schwer zu bepreisen,
abnehmen. Langwierige Zertifizierungsprozesse erschweren was die Verhandlungen mit Krankenkassen deutlich erschwert.
oder verhindern gar die Anwendung neuer Technologien in Zwingend notwendig ist auch die frühzeitige Entwicklung
der Versorgung. Dazu kommen sicherlich Hürden durch den eines tragfähigen Geschäftsmodells, das die langfristige Pers-
Datenschutz, für den es noch keine einheitliche Lösung in unse- pektive des Telemedizin-Pilotprojekts aufzeigt. Zu betrachten
rem Gesundheitssystem gibt (Stichwort Patientenakte, die zwar sind hierbei verschiedene Vergütungsmodelle sowie die Evalu-
greifbar wird, aber noch nicht implementiert werden konnte). ierung der Zahlungsbereitschaft durch die Endkunden als auch
etwaige Anforderungen durch die DiGa oder Medizinpro-
duktverordnung, sofern eine Zertifizierung angestrebt ist.
Krankenhaus-IT Journal 1 /2024
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