Page 22 - gmds-praxisleitfaden
P. 22

2.1. Politische Zielsetzung                      doch dieses ist den Aufgabenstellungen nach Maßgabe ver-

           Die Diskussion um die Digitalisierung in deutschen Kranken-  fügbarer Ressourcen und Kompetenzen gut gerecht geworden.
           häusern ist nicht neu und hat speziell mit der Industrie-Initi-  Zeitliche Verzögerungen von der Antragsstellung bis hin zu den
           ative 4.0 eine deutliche Intensivierung erfahren. Im Vergleich   Rückmeldungen der Länder an die Antragsteller sind dem BAS
           mit der Industrie, aber auch im Vergleich mit den Gesundheits-  nur bedingt zuzurechnen.
           systemen anderer Länder, hier speziell mit den skandinavischen   Durch lokales Gerangel bei der Fokussierung auf bestimmte
           Ländern, gilt das deutsche Gesundheitswesen in der Digita-  FTB’s und Bürokratie in den Landesinstitutionen haben viele
           lisierung als äußerst defizitär und nicht wettbewerbsfähig im   Antragssteller und Bundesländer Zeit verloren. Die Situation
           internationalen Vergleich. (Böckmann, 2014)      hat sich jedoch durchaus heterogen dargestellt, denn auch dort
              Unabhängig davon, ob man diese Meinung teilt oder sie   kam es teilweise mit großer Unterstützung und Fachexpertise
           differenzierter sieht, findet man in deutschen Krankenhäusern   zu schnellen Bearbeitungen und dadurch initiiert zu schnellen
           großes Potential für eine Optimierung durch Digitalisierung.   Antragsrückmeldungen vom und zum BAS.
           Defizite in der Infrastruktur, suboptimale Klinische Arbeits-  Für die Zeitproblematik auf lokaler Krankenhausebene
           platz (KAS) - Umgebungen, fehlende Kommunikationsarchi-  waren sicherlich die Fördertatbestände 1 und 11 verantwortlich,
           tekturen und letztlich ungenutzte Datenschätze sprechen dort   weil hier viele Krankenhäuser Optionen für Ersatzinvestitionen
           für sich.                                        zum normalen Investitionsplan des Hauses gesehen haben und
              Somit ist das Auflegen dieser KHZG-Projekt-Schiene   dies in die Diskussion um die Positionierung der Anträge auf
           grundsätzlich richtig und auch durchaus nachvollziehbar, aller-  verschiedene FTB’s eingeflossen ist. Hier kann man sicherlich
           dings muss man bereits in Bezug auf die politische Zielsetzung   trefflich streiten, ob diese Fördertatbestände überhaupt für die
           hinterfragen, ob denn die Misere der IT und Digitalisierung   originäre Strategie einer prozessoptimierenden Digitalisierung
           in deutschen Krankenhäusern bei der Motivation und Ausge-  hilfreich waren.
           staltung des KHZG in vollem Umfang erkannt wurde. Wenn   Man kann allerdings auch festhalten, dass frühe Anträge,
           man in den zu erfüllenden FTB’s die Mehrzahl der kleinen und   die digitalisierungsorientiert klar, nachvollziehbar und mit
           mittleren Krankenhäuser mit Themengebieten konfrontiert,   externer Expertise erstellt wurden, kurze Laufzeiten und
           die dort bisher lediglich von Bezeichnungen und groben Vor-  schnelle Rückmeldungen hatten. Mit Bezug auf die Rahmen-
           stellungen geprägt sind, dann kann das sicherlich nicht der rich-  bedingungen und die Antragswege auf der Zeitachse waren die
           tige Weg sein.                                   vom Bund gesetzten Rahmenbedingungen nicht primär für die
              Letztlich kann man nicht verlangen, dass ein Porsche   zeitlichen Verzögerungen im Gesamtverfahren verantwortlich.
           beschafft wird, wenn die Verkehrsverbindungen nur aus Feldwe-  Es darf natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass die mit diesem
           gen bestehen. Die Aufstellung der Fördertatbestände mit allen   Markt verbundene Industrie weder mit ihren Produkten noch
           Muss-Kriterien ist eine „pauschalierte Digitalisierungsvorgabe“,   mit ihren Experten-Ressourcen die notwendige Unterstützung
           die so für die unterschiedlichen Prozesslandschaften der ver-  für KHZG-Anträge der Häuser fristgerecht leisten konnte, was
           schiedenen Krankenhaustypen und den dort vorzufindenden   letztlich für die lokalen Antragsstellungen nicht förderlich war.
           IT-Basisvoraussetzungen nicht nutzbar ist. Noch schlimmer ist   Immerhin hat es aufgrund der gesamten zeitlichen Dimension
           jedoch, dass unabhängig vom digitalen Fortschritt diese Häu-  zum KHZG formale Aufweichungen in Bezug auf das zu errei-
           ser dann trotzdem an diesen unerfüllbaren Fördertatbestän-  chende zeitliche Ende von Umsetzungen gegeben.
           den gemessen werden. Das KHZG ist in der Grundidee völlig
           richtig, doch in der Ausgestaltung und Projektion auf kleine   2.3. Die einzelnen Fördertatbestände
           und mittlere Krankenhäuser gehen insbesondere die Fördertat-  und lokale Prozess-Architekturen der
           bestände zur Datenstandardisierung und Entscheidungsunter-  unterschiedlichen Krankenhaustypen
           stützung an der Realität des Krankenhausalltages vorbei. Hier   In den folgenden Ausführungen wird differenziert auf die
           hätte man sich eine differenzierte Fokussierung der FTB’s auf   ursprüngliche politische Erwartungshaltung zum KHZG und
           Versorgungsklassen gewünscht.                    dessen finalen Nutzen in Bezug auf die Optimierung der Kran-
                                                            kenhausprozesse lokal, im Verbund mit anderen Krankenhäu-
           2.2. Rahmenbedingungen zur Umsetzung und         sern und den Praxen eingegangen. Zwar kann man aktuell
           zeitliche Dimension                              das „Nutzungspotential“ nur prognostizieren, da die meisten
           Auch wenn in Bezug auf die involvierten verschiedenen Ins-  Projekte noch in der Anfangs- oder gar Planungsphase stehen,
           tanzen und deren Arbeitsweise (vom Bundesamt für Soziale   doch die Diskussionen zur Brauchbarkeit der umzusetzenden
           Sicherung (BAS) bis hin zu den Ländern) immer wieder heftige   Förderbestände zeigt eine klare Richtung an.
           Kritik geäußert wird, wird diese Kritik nicht unbedingt in die-  Das Portfolio der Fördertatbestände ist im Sinne einer „glo-
           ser pauschalierten Form mitgetragen. Natürlich hat die Flut der   balen Zielorientierung“ sicherlich richtig aufgestellt, allerdings
           Anträge das BAS vor erhebliche Herausforderungen gestellt,   beschreibt es nur bestimmte Zustandserwartungen in soge-


      22                                                       GMDS-Praxisleitfaden „Das vernetzte Gesundheitswesen“
   17   18   19   20   21   22   23   24   25   26   27