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2.1. Politische Zielsetzung doch dieses ist den Aufgabenstellungen nach Maßgabe ver-
Die Diskussion um die Digitalisierung in deutschen Kranken- fügbarer Ressourcen und Kompetenzen gut gerecht geworden.
häusern ist nicht neu und hat speziell mit der Industrie-Initi- Zeitliche Verzögerungen von der Antragsstellung bis hin zu den
ative 4.0 eine deutliche Intensivierung erfahren. Im Vergleich Rückmeldungen der Länder an die Antragsteller sind dem BAS
mit der Industrie, aber auch im Vergleich mit den Gesundheits- nur bedingt zuzurechnen.
systemen anderer Länder, hier speziell mit den skandinavischen Durch lokales Gerangel bei der Fokussierung auf bestimmte
Ländern, gilt das deutsche Gesundheitswesen in der Digita- FTB’s und Bürokratie in den Landesinstitutionen haben viele
lisierung als äußerst defizitär und nicht wettbewerbsfähig im Antragssteller und Bundesländer Zeit verloren. Die Situation
internationalen Vergleich. (Böckmann, 2014) hat sich jedoch durchaus heterogen dargestellt, denn auch dort
Unabhängig davon, ob man diese Meinung teilt oder sie kam es teilweise mit großer Unterstützung und Fachexpertise
differenzierter sieht, findet man in deutschen Krankenhäusern zu schnellen Bearbeitungen und dadurch initiiert zu schnellen
großes Potential für eine Optimierung durch Digitalisierung. Antragsrückmeldungen vom und zum BAS.
Defizite in der Infrastruktur, suboptimale Klinische Arbeits- Für die Zeitproblematik auf lokaler Krankenhausebene
platz (KAS) - Umgebungen, fehlende Kommunikationsarchi- waren sicherlich die Fördertatbestände 1 und 11 verantwortlich,
tekturen und letztlich ungenutzte Datenschätze sprechen dort weil hier viele Krankenhäuser Optionen für Ersatzinvestitionen
für sich. zum normalen Investitionsplan des Hauses gesehen haben und
Somit ist das Auflegen dieser KHZG-Projekt-Schiene dies in die Diskussion um die Positionierung der Anträge auf
grundsätzlich richtig und auch durchaus nachvollziehbar, aller- verschiedene FTB’s eingeflossen ist. Hier kann man sicherlich
dings muss man bereits in Bezug auf die politische Zielsetzung trefflich streiten, ob diese Fördertatbestände überhaupt für die
hinterfragen, ob denn die Misere der IT und Digitalisierung originäre Strategie einer prozessoptimierenden Digitalisierung
in deutschen Krankenhäusern bei der Motivation und Ausge- hilfreich waren.
staltung des KHZG in vollem Umfang erkannt wurde. Wenn Man kann allerdings auch festhalten, dass frühe Anträge,
man in den zu erfüllenden FTB’s die Mehrzahl der kleinen und die digitalisierungsorientiert klar, nachvollziehbar und mit
mittleren Krankenhäuser mit Themengebieten konfrontiert, externer Expertise erstellt wurden, kurze Laufzeiten und
die dort bisher lediglich von Bezeichnungen und groben Vor- schnelle Rückmeldungen hatten. Mit Bezug auf die Rahmen-
stellungen geprägt sind, dann kann das sicherlich nicht der rich- bedingungen und die Antragswege auf der Zeitachse waren die
tige Weg sein. vom Bund gesetzten Rahmenbedingungen nicht primär für die
Letztlich kann man nicht verlangen, dass ein Porsche zeitlichen Verzögerungen im Gesamtverfahren verantwortlich.
beschafft wird, wenn die Verkehrsverbindungen nur aus Feldwe- Es darf natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass die mit diesem
gen bestehen. Die Aufstellung der Fördertatbestände mit allen Markt verbundene Industrie weder mit ihren Produkten noch
Muss-Kriterien ist eine „pauschalierte Digitalisierungsvorgabe“, mit ihren Experten-Ressourcen die notwendige Unterstützung
die so für die unterschiedlichen Prozesslandschaften der ver- für KHZG-Anträge der Häuser fristgerecht leisten konnte, was
schiedenen Krankenhaustypen und den dort vorzufindenden letztlich für die lokalen Antragsstellungen nicht förderlich war.
IT-Basisvoraussetzungen nicht nutzbar ist. Noch schlimmer ist Immerhin hat es aufgrund der gesamten zeitlichen Dimension
jedoch, dass unabhängig vom digitalen Fortschritt diese Häu- zum KHZG formale Aufweichungen in Bezug auf das zu errei-
ser dann trotzdem an diesen unerfüllbaren Fördertatbestän- chende zeitliche Ende von Umsetzungen gegeben.
den gemessen werden. Das KHZG ist in der Grundidee völlig
richtig, doch in der Ausgestaltung und Projektion auf kleine 2.3. Die einzelnen Fördertatbestände
und mittlere Krankenhäuser gehen insbesondere die Fördertat- und lokale Prozess-Architekturen der
bestände zur Datenstandardisierung und Entscheidungsunter- unterschiedlichen Krankenhaustypen
stützung an der Realität des Krankenhausalltages vorbei. Hier In den folgenden Ausführungen wird differenziert auf die
hätte man sich eine differenzierte Fokussierung der FTB’s auf ursprüngliche politische Erwartungshaltung zum KHZG und
Versorgungsklassen gewünscht. dessen finalen Nutzen in Bezug auf die Optimierung der Kran-
kenhausprozesse lokal, im Verbund mit anderen Krankenhäu-
2.2. Rahmenbedingungen zur Umsetzung und sern und den Praxen eingegangen. Zwar kann man aktuell
zeitliche Dimension das „Nutzungspotential“ nur prognostizieren, da die meisten
Auch wenn in Bezug auf die involvierten verschiedenen Ins- Projekte noch in der Anfangs- oder gar Planungsphase stehen,
tanzen und deren Arbeitsweise (vom Bundesamt für Soziale doch die Diskussionen zur Brauchbarkeit der umzusetzenden
Sicherung (BAS) bis hin zu den Ländern) immer wieder heftige Förderbestände zeigt eine klare Richtung an.
Kritik geäußert wird, wird diese Kritik nicht unbedingt in die- Das Portfolio der Fördertatbestände ist im Sinne einer „glo-
ser pauschalierten Form mitgetragen. Natürlich hat die Flut der balen Zielorientierung“ sicherlich richtig aufgestellt, allerdings
Anträge das BAS vor erhebliche Herausforderungen gestellt, beschreibt es nur bestimmte Zustandserwartungen in soge-
22 GMDS-Praxisleitfaden „Das vernetzte Gesundheitswesen“