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nannten „Partialsichten“ auf bestimmte isolierte Arbeits- oder wäre darüber hinaus der erste Schritt in Richtung des Abbaus
Datenumgebungen. Eine Verzahnung oder Vernetzung dieser von digitalen Bruchstellen, da in der Plattform das Daten-
Partialumgebungen mit ihren jeweiligen Prozessumgebungen gut für digitale Brücken angesammelt ist. Mit einer solchen
erwartet man mal „so einfach“ über Schnittstellen mit stan- Vorgehensweise würde man den kleinen, mittleren und auch
dardisierten Daten. So soll es dann in allen Stufen des Versor- großen Häusern einen klaren Leitfaden für priorisierte Digi-
gungsprozesses intern oder im Verbund möglich sein, auf diese talisierungsmaßnahmen an die Hand geben. Für kleinere und
Daten in „verstehbarer Form“ zuzugreifen und diese Daten auch mittlere Häuser dürften im ersten Aufschlag des KHZG auch
noch für Entscheidungsunterstützung zu nutzen. Und letzt- nur diese Zielsetzungen in Reifegradbewertungen einfließen.
lich soll all dies auf einer ambitionierten Zeitschiene bis Ende Würde man dann noch zusätzlich die Ausgangssituation und
2024 geschehen. Dazu braucht es in der Tat einiger Wunder. den erfolgreichen Weg der Digitalisierung dieser Häuser über
Genau in dieser Erwartungshaltung liegt nämlich ein grund- Gewichtungen berücksichtigen, dann wäre dieser Weg sicher-
sätzlicher Fehler, welcher mehr als deutlich wird, wenn man die lich sehr sinnvoll. Besonders wichtig scheint dabei, dass diese
Industrie-Initiative 4.0 zu Rate zieht. In dieser wurde geradezu Art der „Basisdigitalisierung“ nicht eine Prozessarchitektur
immer wieder auf die Gesamtsicht der Prozessarchitektur ver- determiniert, sondern vielmehr ein Fundament fertig stellt,
wiesen, welche es zu optimieren gilt. Partialsichten werden dort welches wie das „Universalchassis“ in unterschiedlichen Pro-
erst relevant, wenn man sie in der vollständigen Prozessland- zess-Umgebungen zur Optimierung nutzbar ist.
schaft des Unternehmens betrachtet. Die Partialprozesse sind Speziell für die großen Häuser, einschließlich der Univer-
wichtig, aber sie bestimmen nicht die Prozessstruktur, sondern sitätsklinika, sind die Herausforderungen für die Umsetzung
unterstützen diese durch Optimierung innerhalb der Partial- dieser Basis-Digitalisierung natürlich nicht die unüberwind-
umgebung. Die Initiative 4.0 fordert, dass alle im Gesamtpro- bare Aufgabenstellung, sondern als Sprungbrett in die höheren
zess notwendigen und nicht digital erschlossenen Datenquellen Ebenen der Digitalisierung zu verstehen. Weitgehend werden
digitalisiert werden. So soll es möglich sein, die Bruchstellen in diesen Häusern die Aufgabenstellungen zur Basisdigitali-
in der vom Management gewünschten Prozessarchitektur sierung auch erfüllt sein, so dass man dort auch Zielerfüllung
abzubauen. Der Abbau der Bruchstellen optimiert dann den in Bezug auf weitergehende Digitalisierung fordern kann.
gewünschten Workflow zur Unterstützung der vom Manage- Eine Reifegrad-Prüfung würde bei diesen Häusern die Basis-
ment definierten Unternehmensprozesse. (Pfeiler, 2016) Digitalisierung geringer gewichten als in kleinen und mittleren
Im KHZG hat man die Thematik der Prozessarchitektur in Häusern, allerdings würden diese großen Häuser dann über die
den Krankenhäusern gänzlich ignoriert, indem man allen Häu- Bewertung der weitergehenden Digitalisierung einen Skalen-
sern eine gleiche Architektur unterstellte. Nur so ist erklärbar, wert erreichen können, der sie vor Sanktionen schützt.
dass man Digitalisierungssäulen gleicher Bauart für alle Kran- Um diese Sichtweise plakativer darzustellen, wird der wün-
kenhaustypen fordert. Wünschenswert wäre gewesen, dass man schenswerte Stufenprozess nochmals grafisch am sogenann-
das Gesamtkonstrukt des KHZG in zwei Kategorien unterteilt ten Schichten-Modell dargestellt. In diesem Modell, das kei-
hätte. In der ersten Kategorie hätte man jene Fördertatbestände neswegs einen Normanspruch hat, werden Überlegungen zu
deklarieren müssen, die wie eine Art „Generalchassis“ ein Fun- sinnvoller Digitalisierung in Abhängigkeit von der Hausgröße
dament für die Digitalisierung zur Zielsetzung haben. Hierin nochmals übersichtlich im Sinne von Vorgehensstufen darge-
wären Digitalisierungsmaßnahmen zu sehen, die unabdingbar stellt. Im ersten Schichten-Block geht es um die grundsätzliche
für Schritte in höhere Digitalisierungsschritte vorausgesetzt Betrachtungsweise des notwendigen Workflows, welcher als
werden. „Big Picture“ einer prozessorientierten Architektur verstanden
Zu nennen sind in diesem Zusammenhang: werden muss. Unabhängig von der Hausgröße ist hier stets
■ Infrastruktur für Kommunikation mit Fest- bzw. Handlungsbedarf gemäß der sich ständig anpassenden Prozess-
Mobilgeräten struktur in der Patientenversorgung. Daneben sind es in diesem
■ Ausbau der Datenerschließung und Datennutzung von Schichtenblock die Primärsysteme und die Basisinfrastruktur,
Patientendaten die in Richtung der Notwendigkeiten stets ausgebaut werden
■ Überführung und Konsolidierung der Daten in einer müssen. Diese Aufgabenstellungen sind von der Hausgröße und
Konnektierungsplattform für verschiedene Dienste nach Prozessarchitektur unabhängig, da diese Aufgabenstellungen
innen und außen unabdingbar für die Unterstützung und Optimierung des Ver-
■ Nutzung der „Plattform-Dienste-Umgebung“ zur sorgungswesens sind. Zwar bietet das KHZG mit dem Förder-
Standardisierung und Harmonisierung dieser Daten für tatbestand 3 finanzierbare Projekte für die Primärsysteme an,
weiterreichende Digitalisierungsprozesse doch Themen zu Workflow und Infrastruktur wird nur im Kon-
Referenziert man wieder auf die Industrie-Initiative 4.0, so text Bedeutung beigemessen. Gerade aber diese Themen und
wäre diese Vorgehensweise das Äquivalent zur vollständigen Aufgabenstellungen sind im Sinne des Unterbaues unabding-
Datenerschließung und -nutzung in der digitalen Form. Es bar und sehr teuer. Gerade hier muss man sich wundern, dass
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GMDS-Praxisleitfaden „Das vernetzte Gesundheitswesen“