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Da jede Profession in ihrem eigenen Patientenklientels und dessen pflegeri- Eine durchdachte Digitalisierung in der
professionsspezifischen Anwendungssys- schen Unterstützungsbedarfs errechnet. Pflege kann helfen, Strukturen und Pro-
tem dokumentiert, stehen diese Informa- Dazu soll ein Instrument zur Personal- zesse zukunftsfest zu gestalten. Darüber
tionen in der Regel den anderen Profes- bemessung (PPR 2.0) eingesetzt werden, hinaus kann Digitalisierung auch die
sionen in deren Anwendungssystemen welches im Rahmen der Konzertierten Attraktivität des Pflegeberufs steigern
nicht zur Verfügung. Aber alleine die Aktion Pflege von den Beteiligten auf und zugleich die Pflegequalität verbes-
Dokumentation aller beteiligten Profes- Basis der „alten PPR“ (Bestandteil des sern. Sie kann von Bürokratie entlasten,
sionen in einer zentralen Patientendoku- Gesundheitsstrukturgesetzes von 1992, Tätigkeiten effektiv unterstützen und
mentation löst nicht das Problem, aber es der 1996 wieder ausgesetzt wurde) damit Freiräume in der Patientenversor-
wäre ein wichtiger Schritt hin zur Prozes- entwickelt wurde. Wie aber wird der gung schaffen. Eine digitale Vernetzung
soptimierung innerhalb der interprofes- pflegerische Unterstützungsbedarfs verbessert die Zusammenarbeit aller
sionellen Patientenversorgung. Darüber ermittelt? Dazu müssen die Patienten Akteure in der Patientenversorgung ein-
hinaus ist insbesondere die semantische täglich in vier Grund- und Spezialpflege- schließlich der Pflegebedürftigen und
Interoperabilität der verschiedenen pro- Leistungsstufen eingeteilt werden. Jeder ihrer Angehörigen.
fessionsspezifischen Versorgungsdaten Stufe ist ein Minutenwert zugeordnet. Allerdings wird die Digitalisierung
erforderlich. Aus pflegerischer Sicht ist Hinzu kommen Grund- und Fallwerte in der Pflege aus Sicht vieler pflegeri-
die Verwendung pflegerischer Fachspra- als Basis. In der Summe ergibt sich ein scher Interessensvertretungen noch an
chen die Voraussetzung dafür, dass Pfle- Zeitwert pro Patient und Tag, der den vielen Stellen ausgebremst. Fragen nach
gende untereinander und mit anderen Pflegepersonalbedarf auf Grundlage des geeigneten technischen Standards, einer
Berufsgruppen professionell und eindeu- pflegerischen Unterstützungsbedarfs der Sprachsystematik bis hin zur Refinanzie-
tig Informationen austauschen können. Patienten abbildet. Die Einteilung der rung, die die Ausstattung, die Betriebs-
Pflegerische Fachsprachen stellen die Patienten in die vier Grund- und Spe- kosten als auch die Schulungsnotwen-
Basis für die Pflegedokumentation und zialpflege-Leistungsstufen kann wie zu digkeiten betrifft, bleiben ungeklärt. Der
den Austausch von patientenbezogenen Zeiten des Gesundheitsstrukturgesetzes rechtliche Rahmen stammt teils noch
Informationen dar (Hübner et al., 2023). formularbasiert auf Papier oder digital aus der „Zeit der Schwarzwaldklinik“
erfolgen. So könnte sich die Pflegefach- und wird den aktuellen Erfordernissen
Pflegepersonalbemessung person nach und nach durch das digitale nicht gerecht.
im Krankenhaus Formular „klicken“, oder die Einteilung Die Erfahrungen in der Vergan-
Der Einsatz von pflegerischen Klassifi- in die vier Grund- und Spezialpflege- genheit haben gezeigt, dass die Digita-
kationen im Rahmen der pflegerischen Leistungsstufen erfolgt automatisch auf lisierung in der Pflege strategisch und
Dokumentation war und ist in Deutsch- Grundlage bereits vorhandener doku- ganzheitlich angegangen werden muss.
land eher zurückhaltend. In der Regel mentierter, pflegerischer Informationen Der rechtliche Rahmen ist umfassend
werden pflegerische Informationen über der eingesetzten Informationssysteme anzupassen, die Chance dazu muss im
hausinterne pflegerische Standards sog. wie z. B. Pflegeinterventionen anhand angekündigten Digitalisierungsgesetz
„Hauskataloge“ oder über Freitexteinga- einer standardisierten pflegerischen zwingend ergriffen werden. Auch unter
ben in Pflegedokumentationssystemen Fachsprache aus dem Pflegeinformati- dem Wissen, dass die Umsetzung der
erfasst. Jedoch ist ein Trend durch die onssystem. Personalbemessungsinstrumente sowohl
Möglichkeiten des Krankenhauszu- im Krankenhausbereich als auch in den
kunftsgesetzes (KHZG) im Kranken- 2. Berufspolitische Einrichtungen der Langzeitpflege drin-
haussetting festzustellen, dass verstärkt Betrachtung der gend der digitalen Unterstützung bedarf.
pflegerische Klassifikationssysteme in Digitalisierung der Pflege Dabei sind bedarfsgerechte Lösun-
pflegerischen Anwendungssystemen Wie aber werden die skizzierten Verände- gen zu berücksichtigen. Zielführend ist
eingesetzt werden. Hinzu kommt ab rungen der Digitalisierung der Pflege in ein interdisziplinärer Ansatz, der die Per-
2025 die verpflichtende Einführung Deutschland aus pflegeberufspolitischer spektiven aller beteiligten Akteure insbe-
der Pflegepersonalbemessung im Kran- Sicht wahrgenommen bzw. bewertet? sondere des Pflegepersonals, der Pflege-
kenhaus (PPR 2.0) aufgrund des Ende Der demographische Wandel, der einrichtungen, der Pflegebedürftigen, der
2022 verabschiedeten Krankenhaus- Fachkräftemangel, das vorhandene IT-Hersteller und Dienstleister mit ihren
pflegeentlastungsgesetzes (KGPflEG). Know-how in der Profession Pflege, Schnittstellen einbezieht. Im Jahr 2020
Ziel des Gesetzes ist es unter anderem, der medizinische Fortschritt und nicht hat sich das Bündnis Digitalisierung in
die Personalsituation der Pflege in den zuletzt die Erfahrungen aus der COVID- der Pflege gebildet und seitdem mehrere
Krankenhäusern mittelfristig zu verbes- 19-Pandemie zeigen, dass das Pflegesys- Positionspapiere veröffentlicht. Gefor-
sern. Hierzu werden Idealbesetzungen tem in den kommenden Jahrzehnten dert werden Maßnahmen und Rege-
für die Stationen auf Grundlage des große Herausforderungen meistern muss. lungen in den Bereichen: Nationaler
12 GMDS-Praxisleitfaden „Das vernetzte Gesundheitswesen“