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sowie mit einigen innovativen Ideen in kirchlichen Rechenzen- Die großen Unternehmen wie IBM, Microsoft und letztlich
tren in enger Zusammenarbeit mit einzelnen Professoren der auch Siemens und Philips scheitern in der ersten und zweiten
Medizininformatik, u. a. Prof. Dr. med. Wolfgang Giere. In den Dekade des neuen Jahrtausends, ziehen sich aus dem KIS- und
80igern/90igern eroberten mittelständische Unternehmen wie AIS-Bereich zurück und konzentrieren sich bei der Digitali-
Dataplan, BOSS AG, Meierhofer AG und Nexus den Markt der sierung auf medizinische Geräte oder - wie in den USA - auf
Krankenhaussoftware. (Wehrs, 2019) Konsumenten-Anwendungen.
In den Arztpraxen war die Entwicklung ähnlich. Erste Auch die Patientenakten-Versuche/Entwicklungen von
Ansätze in den 70igern und 80igern, der Durchbruch kam mit Microsoft, Amazon und Google flackerten kurz auf, um letzt-
dem Regulativ: Die Kommunalen VersorgungsKassen (KVK) lich wieder zu verschwinden. Es bleibt ein Markt für Mittel-
zwangen / veranlassten auch Ärzte, die der IT kritisch gegen- ständler und Spezialisten - aber auch dort gab es grundlegende
überstanden, Praxiscomputer anzuschaffen. Durch die Zusam- Veränderungen. Firmen wie Laufenberg, Fliegel Data, BOSS,
menarbeit mit einem Generikahersteller konnte der Preis für micom, Systema, Torex GAP, Tiani, Waldbrenner, ITB AG und
eine Einzelplatzlösung von 16.000 DM auf 999 DM (subven- Medos - um nur einige zu nennen - gingen in größeren Unter-
tioniert) sinken. 1995 mussten viele Praxen aufgrund der neu nehmen auf. Wie immer in der Industrie fanden sich breit auf-
eingeführten Krankenversicherungskarte umstellen. gestellte (KIS-)Anbieter und hoch spezialisierte Nischenanbie-
ter. Deshalb kam der Interoperabilität zwischen den Anbietern
Die ersten 20 Jahre des Jahrtausends: schon sehr früh große Bedeutung zu - insbesondere rund um
“ohne Moos nix los” HL7 (Health Level 7), einer Gruppe internationaler Standards
Ende der 90iger Jahre und zu Beginn des neuen Jahrtausends für den Datenaustausch zwischen Organisationen im Gesund-
befindet sich die Digitalisierung in einem Dilemma: Die IT heitswesen und deren Computersystemen. Die Zahl 7 bezieht
wird nur da eingesetzt, wo es ohne sie nicht geht, weil z. B. eine sich auf die Schicht 7 des ISO/OSI-Referenzmodells für die
neue Verordnung ohne IT nicht mehr umsetzbar scheint, oder Kommunikation und drückt damit aus, dass hier die Kommu-
wo Daten gemäß einer gesetzlichen Vorgabe digital zu liefern nikation auf Applikationsebene beschrieben wird. (Wikipedia,
sind. Das führt zu folgender – schematisch – dargestellter 2023)
Situation: HL7 Version 2 entstand in den 1970ern und zielte auf den
Das befriedigt insbesondere die Anwender im klinischen einrichtungsinternen Datenverkehr eines Krankenhauses. Der
Bereich (Ärzteschaft und Pflege) überhaupt nicht, denn es führt Druck, Daten auch einrichtungs- und sektorübergreifend zu
zu Doppelarbeiten und der Suche nach Informationen sowohl kommunizieren sowie mobile und cloudbasierte Anwendun-
in der IT als auch in der analogen Dokumentation. Die chroni- gen zu unterstützen, wächst ebenso wie jener, Interoperabilität
sche Unterfinanzierung des stationären Bereichs hält über viele innerhalb von Tagen und Wochen, statt Monaten und Jahren
Jahre an. Der Wettbewerb unter den Anbietern wird härter, die herzustellen. HL7 führt folgende Gründe für die Entwicklung
Zeit der Aufkäufe beginnt. modernerer Strukturen (FHIR-Format) auf seiner Homepage
(HL7, 2023) an:
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GMDS-Praxisleitfaden „Das vernetzte Gesundheitswesen“